Und die Geschichte dazu beginnt bei Baupannen und Chaos, was jeder über viele Jahre mitbekommen hat. Fakten also, unbestritten. Dann: Es gibt da einen militärischen Bereich. Warum nicht, gibt es an vielen Flughäfen. Dort auch Bunker für amerikanische Atomwaffen. Zumindest denkbar. Die sollen unter dem Flughafen produziert werden. Um die dazu notwendigen Anlagen unbemerkt von der Öffentlichkeit herzustellen, braucht es Zeit, deshalb die Bauverzögerungen. „Da sind wir im absurden Bereich“, verdeutlicht Lamprecht.
Zweifel säen, mit Fakten ködern
Wohlgemerkt, das ist eine Verschwörungsgeschichte, zu Trainingszwecken erfunden, um ein dahinter liegendes Prinzip zu verdeutlichen: Zweifel säen, mit Fakten ködern, damit am Ende der Schwachsinn geschmeidig durchgestochen werden kann. Und ein weiterer Grundzug aller Verschwörungsideologien ist, erläutert Lamprecht, dass sie die Menschheit in drei Gruppen einteilt: „Die Verschwörer, die im Verborgenen agieren und alle Fäden in der Hand halten, die Masse des Volkes, die getäuscht und dumm gehalten wird und die Elite der ‚Truther‘, die die Wahrheit hinter der Fassade und die Machenschaften der Verschwörer erkannt zu haben meint.“
So sortiert sich die ansonsten unübersichtliche Welt. Schuldige am eigenen Leid sind schnell gefunden. Und weil es der Mensch nicht nur einfach mag, sondern schwer Dinge akzeptieren kann, die ohne erkennbaren Grund einfach so geschehen, hat es der Verschwörungsgläubige auch in dieser Hinsicht gut. „Für ihn ist klar: Was geschieht, passiert, weil die Verschwörer es so wollen“, führt Lamprecht aus und ergänzt: „Damit sind Zufälle, Pannen, Unfälle und alles nicht Fassbare beseitigt. Das bringt eine enorme Entlastung.“ Der Fachbegriff dazu: Kontingenzbewältigung.
Das Fünkchen Plausibilität
Dazu kommt, dass Verschwörungsideologien ihre Plausibilität aus dem Umstand saugen, dass wir etwas nicht wissen. Wissenschaftlich lässt sich eben nie exakt beweisen, dass etwas nicht existiert. Lamprecht verdeutlicht (war da ein Schmunzeln um seine Mundwinkel?): „Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis, dass es keine weißen geflügelten Einhörner gibt. Vielleicht sind die Tiere nur sehr selten und zudem unheimlich scheu und geschickt in der Tarnung. Genauso kann man niemals beweisen, dass eine Verschwörung nicht existiert. Man könnte sie höchstens aufdecken, wenn sie existiert.“
Da ist es also, das Fünkchen Plausibilität in einer vielleicht komplett abstrusen Idee – unverzichtbar als Hefe für einen Verschwörungsmythos, der mal groß werden soll. Nun könnte man sagen: Lass sie doch reden, die Verschwörungsideologen. Geht nicht, „denn Verschwörungsmythen erzeugen Opfer, auch ganz real“, warnt Lamprecht und verweist auf den norwegischen Massenmörder Anders Breivik und auf die Attentäter von Christchurch und Halle „die vollgepumpt waren mit Verschwörungsideologie.“
Außerdem verhindere Verschwörungsglaube angemessenes Verhalten und zerstöre Vertrauen. Was also tun? Andreas Hahn bietet eine Checkliste an und rät unter anderem zum hartnäckigen Logiktest, um Widersprüche, Ungereimtheiten und manipulierte Informationen aufzudecken. Auch die Informationsquellen sollten überprüft werden. Und dann bringt er eine uralte journalistische Frage ins Spiel, die hochaktuell ist und sicher bleibt: „Cui bono – wem nutzt diese Verschwörungsideologie, wem die angebliche Aufdeckung? Und will man mit denen in einem Boot sitzen?“
Dieter Sell (epd)