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Stellvertretende Ratsvorsitzende formal als westfälische Präses für weitere acht Jahre bestätigt – EKD


Kirchlichen Auftrag erfüllen und Hoffnung in schweren Zeiten wecken

Drei Fragen an die westfälische Präses Annette Kurschus

Bielefeld (epd). Gottvertrauen in die Welt tragen und an der Seite der Schwachen stehen: Das nimmt sich die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, nach ihrer am Mittwoch erfolgten formalen Bestätigung durch die westfälische Landessynode für ihre bevorstehende achtjährige Amtszeit vor. Wichtige Themen seien auch Klimaschutz, Flucht und der Widerstand gegen Rassismus und Populismus, sagte Kurschus, die auch stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, dem Evangelischen Pressedienst (epd). In den anstehenden Spar- und Strukturdebatten will sich die 57-Jährige dafür einsetzen, dass der Kern des kirchlichen Auftrags immer erkennbar ist.

Welche Akzente wollen Sie in Ihrer weiteren Amtszeit setzen?

Kurschus: Ich habe mein Amt immer als dezidiert geistliche Leitung verstanden und das möchte ich so fortführen, weil es mir entspricht und weil ich überzeugt bin, dass das unserer Kirche gut zu Gesicht steht. Vielleicht gilt es noch stärker als in den vergangenen Jahren zu fragen: Was ist wirklich unsere unverwechselbare Stimme als Kirche und was braucht die Welt von uns? Was ist es, das nur wir sagen und einbringen können? Dazu gehört vor allem und insbesondere die Frage nach Gott. Was ist es eigentlich, das uns gründet und das uns im Leben hält? Das ist die eigentliche und die entscheidende Frage. Sie treibt uns an und ist die Grundlage für unser gesellschaftliches und gesellschaftspolitisches Reden und Handeln.

Ich möchte gerne eine westfälische Kirche vertreten, die aus ihrem Gottvertrauen lebt und die gerade deshalb mit beiden Beinen mitten in der Welt steht, die ihr Gottvertrauen in die Welt trägt, die Trost gibt und Hoffnung weckt, auch und gerade in diesen schweren Zeiten. Ich möchte in einer Kirche Verantwortung tragen, die an der Seite der Schwachen steht und ihren Mund aufmacht für die Stummen. Die auch die Mittel der Digitalisierung nutzt, um das Evangelium in die Welt zu bringen. Allerdings wird Kirche „digital“ nie die leibhaftige Gemeinschaft von Menschen ersetzen. Aktiv einsetzen werde ich mich auch für eine glaub-würdige Kirche im Wortsinn: Des Glaubens würdig. Dazu gehört auch, dass wir Schuld eingestehen. Zum Beispiel im Bereich der Verletzung sexueller Selbstbestimmung. Hier hat unsere Kirche eine ganz eigene, unselige Schuldgeschichte, die bis heute andauert. Diese Geschichte gilt es aufzuarbeiten und daraus konkrete Konsequenzen zu ziehen.

In den kommenden Jahren sind personelle und finanzielle Einbrüche absehbar, Finanzdezernent Arne Kupke sprach davon, dass radikal gedacht werden müsse. Wie wollen Sie das angehen?

Kurschus: Unsere Kirche muss ihre äußere Gestalt samt allen inneren Strukturen erneut auf den Prüfstand stellen und verändern. In diesem Prozess ist zu klären, welche inhaltlichen Akzente wir setzen wollen. An keiner Stelle darf der Anspruch bestehen, alles genau so weiterzuführen wie bisher. Bei jeder Stellenbesetzung etwa ist zu fragen, ob es diese Stelle zwingend braucht, ob wir das bisher an dieser Stelle Geleistete womöglich auch auf andere Weise sicherstellen können, oder ob wir es aufrecht verantworten wollen, künftig darauf zu verzichten. Das gilt es jeweils plausibel zu begründen. Dabei wird es nicht immer Zustimmung geben, aber die Entscheidungen sollten mindestens nachvollziehbar sein. Das ist und wird ein schmerzhafter Prozess, der unausweichlich hier und da Menschen verletzen und enttäuschen wird. Die Frage danach, was im Kern unser Auftrag ist, muss uns darin leiten. Ich werde mich dafür einsetzen, dass dies immer erkennbar bleibt.

Sie haben in Ihrem Bericht vor der Landessynode dazu aufgefordert, über den „binnenkirchlichen Tellerrand“ hinauszublicken. Was heißt das konkret?

Kurschus: Mich erschreckt – auch bei mir selbst -, wie stark Krisen wie die Corona-Pandemie den Blick auf die eigene Befindlichkeit und die eigene kleine Welt fokussieren. Dadurch ist etwa der Klimawandel, der uns bis dato besonders intensiv beschäftigt hat, komplett in den Hintergrund gerückt. Plötzlich sind wieder viele Nahrungsmittel mehrfach eingepackt, obwohl wir gerade dabei waren, Plastik und Aluminium aus dem Alltag zu verbannen und Verpackungsmüll radikal zu reduzieren. Der Klimaschutz darf aber nicht der Corona-Krise zum Opfer fallen. Ich denke hier zum einen an die Regionen der Erde, die bereits jetzt massiv von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Zum anderen denke ich an die Generationen, die nach uns kommen.

Wenn wir über den eigenen Tellerrand schauen, sehen wir darüber hinaus andere wichtige Themen, bei denen wir gefragt sind, unseren ureigenen Auftrag wahr- und ernstzunehmen. Da sind die Menschen mit Fluchtgeschichten – noch immer sterben Viele auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung im Mittelmeer. Wir erleben nach wie vor erschreckend präsenten Antisemitismus, Rassismus und Populismus. Im entschlossenen Widerstand dagegen wird die Stimme unserer westfälischen Kirche auch künftig nicht fehlen.

epd-Gespräch: Ingo Lehnick

www.landessynode.de