Es gilt das gesprochene Wort
Videobotschaft (unredigierte Fassung)
Verehrte Präses der Synode der EKD, liebe Frau Dr. Schwaetzer, sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender, lieber Herr Bedford-Strohm, liebe Synodale, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich erinnere mich noch gut an diesen ganz besonderen Sonntag im Mai. In der Berliner Marienkirche am Alexanderplatz konnten wir zum ersten Mal nach dem Lockdown wieder einen Gottesdienst feiern. Ich glaube, wir alle spürten die Kraft der Gemeinschaft im Glauben ganz besonders intensiv. In der Marienkirche zusammenkommen, das wollten wir auch jetzt. Wie hatte ich mich darauf gefreut, und wie gern hätte ich bei der diesjährigen Synodentagung direkt zu Ihnen und mit Ihnen gesprochen!
Liebe Frau Präses, lieber Herr Ratsvorsitzender, liebe Mitglieder dieses so wichtigen Kirchenparlaments! „Kirche ist Zukunft“ – dieses Motto für Ihre Tagung hat in der Pandemie noch eine zweite, eine sehr tiefe Bedeutung erhalten. Ja, die Kirche steht vor wirklich großen Veränderungen. Als Bundespräsident ist es nicht an mir, die Reformvorschläge, die jetzt auf dem Tisch liegen, zu bewerten. Als Christ ist es mir aber wichtig, dass wir über diese Zukunft nachdenken. Es ist meine tiefe Überzeugung: Wir brauchen die Stimme der Kirche gerade jetzt und auch in Zukunft. Wir brauchen die Kirche als Kraft, die Orientierung und Halt gibt, die Zusammenhalt fördert. Wir brauchen die Gemeinschaft im Glauben.
Ich bin sicher, Sie werden leidenschaftlich und ernsthaft darum ringen, wie die Kirche der Zukunft aussehen soll. Dafür danke ich Ihnen. Dafür danke ich euch, liebe Schwestern und Brüder.
Ja, die Kirchen trifft die Coronakrise besonders hart, denn gerade die Kirchen leben von einer besonderen menschlichen Nähe, von Begegnung. Gottesdienste, Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen können nur unter strengen Auflagen stattfinden und nur im kleinen Kreis. Seelsorge – das ist jetzt eine besonders große Verantwortung und eine besonders große Herausforderung.
Sie haben sich – und dafür möchte ich Ihnen ebenfalls danken – in der Pandemie umsichtig und verantwortungsvoll gezeigt. Sie sind ganz neue, kreative, oft digitale Wege gegangen, um Trost und Zuversicht zu vermitteln. Vieles davon wird bleiben, das meiste als ergänzendes Angebot, aber die gemeinschaftliche Erfahrung eines Gottesdienstes können gestreamte Veranstaltungen nicht ersetzen.
Unser Glaube, das ist immer noch eine große, eine wunderbare Kraft für viele Menschen, die sie ein Leben lang trägt. Wer vom Glauben getragen wird, der glaubt auch an eine gute Zukunft. Diese Zuversicht brauchen wir in den schwierigen Wochen, die vor uns liegen.
Die Einschränkungen, die notwendig sind, um die Ausbreitung der Pandemie in den Griff zu bekommen, sind hart für uns alle, für jeden Einzelnen von uns. Unsere Geduld wird strapaziert, viele kommen an den Rand ihrer Kräfte, und trotzdem geht die übergroße Mehrheit der Deutschen diesen Weg gemeinsam. Gemeinsam setzen wir auf Solidarität, Rücksichtnahme und Vernunft, im Vertrauen darauf, dass wir die Pandemie gemeinsam überwinden werden.
Aber wir sehen auch, wie die Auseinandersetzungen um die Coronapolitik an Schärfe zunehmen. Mir macht Sorgen, dass das Gespräch zwischen Gegnern und Befürwortern schwieriger geworden ist. Ich glaube, diese Krise ist eine Bewährungsprobe für unsere Gesellschaft, für unsere Demokratie. Gelingt es uns, beieinanderzubleiben, oder werden Spaltungen sich vertiefen?
Ich bin froh, dass die Kirchen immer wieder bemüht sind, Brücken zu schlagen, in der öffentlichen Debatte ebenso wie in der alltäglichen Begegnung. Meine Bitte an Sie: Lassen Sie nicht nach in diesem Bemühen. Erheben Sie Ihre Stimme. Mischen Sie sich ein. Leben Sie Gemeinschaft, und helfen Sie mit, dass wir vereint und gemeinsam durch diese Krise kommen.
Die Kirche der Zukunft, wie immer sie aussehen mag, soll, wenn es nach dem Bundespräsidenten geht, eine öffentlich wirksame Kirche bleiben.
Deshalb freue ich mich, dass Sie den verheißungsvollen Vers „Hinaus ins Weite“ aus dem Dankpsalm Davids an den Anfang Ihrer Reformthesen gestellt haben. Hinaus ins Weite offener Möglichkeiten und Chancen – das, liebe Frau Schwaetzer, war und ist immer auch der Anspruch, den Sie für Ihre Kirche formuliert haben. Sie haben die Synode in den vergangenen Jahren erfolgreich geleitet und ganz maßgeblich geprägt. Ich habe mir sagen lassen, Ihre Führung konnte durchaus straff sein, aber dennoch zur allgemeinen Zufriedenheit. Das muss einem auch erst mal gelingen. Dafür möchte ich Ihnen herzlich danken.
„Hinaus ins Weite“. Die Kirche hat in vielen Jahrhunderten immer wieder Krisen überwunden und sich immer wieder ihrer Verantwortung im Hier und Jetzt gestellt. Daran lässt sich anknüpfen im Jahr des 75. Geburtstags der EKD.
Für Ihre Beratungen wünsche ich fruchtbare Debatten, kluge Beschlüsse, und Ihnen allen, liebe Synodalen, wünsche ich von Herzen Gesundheit und Gottes Segen.