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Entscheidungsträger geraten angesichts der Corona-Krise in Dilemma-Situationen – EKD


Als Beispiel für aktuelle Dilemma-Situationen nannte Charbonnier die Abwägung von Persönlichkeitsrechten und seelischen Bedürfnissen einerseits und Maßnahmen zum Gesundheitsschutz andererseits. Diese Maßnahmen träfen derzeit vor allem alte und kranke Menschen in Pflegeheimen hart. „Zum Schutz dieser Menschen und der Menschen in ihrem Umfeld stellen wir ihre Bedürfnisse nach Nähe und Freiheit zurück. Das mag eine notwendige Entscheidung sein – aber eine, die unser Gewissen tief erschüttert.“

Auch die derzeit viel diskutierte „Triage“ das Selektieren von Patienten auf überlasteten Intensivstationen sei ein Beispiel für eine Situation, „die keinen Ausweg ohne Opfer“ zulasse. Zudem verwies Charbonnier auf die Kirchen, die derzeit für den Gesundheitsschutz auf eines ihrer wertvollsten Güter verzichteten die „geistliche Stärkung durch physische Präsenz und Gemeinschaft im Gottesdienst“.

Auf politisch Verantwortlichen lastet ein großer Druck

Vor allem Regierende stünden jetzt vor Entscheidungen, die ein Einzelner kaum tragen könne. „Angesichts der dramatischen wirtschaftlichen Auswirkungen der aktuellen Beschränkungen wächst der Druck auf die politisch Verantwortlichen, einen sowohl medizinisch als auch ökonomisch vertretbaren Ausweg zu finden“, sagte Charbonnier.

“Diese Bürde können sie nur tragen, wenn sie klug und uneigennützig beraten werden und ihre Entscheidungen von einem breiten parlamentarischen und gesellschaftlichen Konsens getragen sind.“ Zudem sei es wichtig, dass Entscheidungsprozesse „mit maximaler Transparenz“ vermittelt würden. Genau dies geschehe derzeit in Deutschland weitestgehend, betonte der Ethiker.

Corona-Krise muss auch Zeit der Seelsorge sein

Doch selbst wenn derzeit viele heikle Entscheidungen mit höchster Gewissenhaftigkeit und Ausgewogenheit getroffen würden, blieben die Verantwortlichen angesichts der Konsequenzen ihrer Beschlüsse oft mit dem Gefühl von Ohnmacht oder Wut zurück. Deshalb müsse die Corona-Krise nicht nur eine Zeit umsichtigen Krisenmanagements, sondern auch der Seelsorge sein. „Wir brauchen gerade jetzt mehr Räume und Möglichkeiten, in denen die Menschen ihren Schmerz zulassen können vor ihrer Mitwelt, aber auch vor Gott.“