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Kenia stößt im Kampf gegen das Virus schnell an Grenzen – EKD

Nairobi (epd). Nur ein paar Koffer drehen sich auf den Gepäckbändern am internationalen Flughafen von Nairobi. Der “Jomo Kenyatta International Airport”, sonst das wichtigste Drehkreuz in Ostafrika, wirkt fast verwaist. Denn kurz nachdem in Kenia am Freitag der erste Corona-Fall bestätigt wurde, hat die Regierung massive Einreisebeschränkungen erlassen, so wie viele andere afrikanische Regierungen. Wer aus Ländern mit Corona-Infektionen kommt, darf nicht rein. Ausgenommen sind kenianische Staatsbürger und Ausländer, die in Kenia ansässig sind. Sie müssen sich allerdings für 14 Tage in Selbstisolation begeben – was jedoch nicht kontrolliert wird.

Bislang sind nur wenige Infektionen in Kenia gemeldet. Das Gesundheitssystem sei der Corona-Krise gewachsen, erklärte Gesundheitsminister Mutahi Kagwe. Das könnte sich aber schnell ändern, wenn die Patientenzahlen steigen. Nach einem Bericht der Tageszeitung „The Star“ hat Kenia rund 400 Betten auf Isolierstationen und rund 155 Intensivbetten – bei einer Bevölkerung von gut 50 Millionen.

Zwar ergreift die Regierung seit Montag drastische Maßnahmen. So sind Schulen und Internate geschlossen, die Universitäten folgen am Freitag. Doch grundlegende Ratschläge, Ansteckungen zu vermeiden, laufen schon angesichts von Armut und Mangel vielerorts ins Leere.

Etwa 60 Prozent der mehr als vier Millionen Hauptstadtbewohner leben in einer der Armensiedlungen. Sie haben zu Hause kein fließendes Wasser. Im besten Fall gibt es in den Gassen Wasseranschlüsse, die sich die Bewohner eines Viertels teilen. Allerdings bleiben die Hähne häufig trocken, dann müssen die Menschen Wasser für vergleichsweise viel Geld kaufen. Das belastet die knappen Haushaltskassen, ebenso wie der Kauf von Seife. Desinfektionsmittel, das die Regierung empfiehlt, wenn Wasser nicht zur Hand sei, sind spätestens seit dem Bekanntwerden des ersten Corona-Falls für zahlreiche Menschen unerschwinglich geworden.

Zudem werden die Einkommen drastisch sinken. Für viele sei das sofort existenzgefährdend, meint Tom Omoni, der mit seinem Bruder einen Laden für Handy-Reparaturen in Mathare betreibt, einem der Slums von Nairobi. „Und die Slumbewohner können auch nicht zu Hause bleiben”, betont Omoni mit Blick auf die Ratschläge der Regierung, soziale Kontakte möglichst zu vermeiden und von daheim aus zu arbeiten. „Die Menschen in den Slums leben von Tag zu Tag. Sie haben keine Reserven. Wenn sie nicht rausgehen können um zu arbeiten, bleiben sie hungrig.“

Rund 80 Prozent der Kenianerinnen und Kenianer arbeiten im informellen Sektor, also ohne jede soziale Absicherung. Laut dem kenianischen Statistikbüro verdienen zwei Drittel von ihnen ihr Geld im Hotel- und Gaststättengewerbe. Der Sektor dürfte mit den rigiden Maßnahmen im Kampf gegen die Verbreitung des Coronavirus praktisch zum Erliegen kommen. Das gilt vor allem für den Tourismus, der zuletzt rund neun Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beitrug.

Tom Omoni überlegt nun, mit seiner Frau und seinen drei Kindern „up country“ zu gehen, in das Dorf seiner Herkunft. Er sieht darin die einzige Chance, mehr Abstand zwischen sich und die Mitmenschen zu bringen. Und viele Slumbewohner denken ihm zufolge ähnlich. Das könnte ein weiteres Risiko sein, denn die Rückkehrer aus der Hauptstadt könnten das Virus in weitere Landesteile tragen.

Währenddessen bemüht sich die Regierung weiter, das Gesundheitssystem für den befürchteten Anstieg der Fälle zu rüsten. Die meisten der vorhandenen Isolierbetten wurden erst kürzlich eingerichtet. Wie die Behörden der Region Nairobi erklären, sollen 3.000 weitere medizinische Angestellte im Umgang mit dem Virus geschult werden. Schon in den vergangenen Wochen hatte Kenia, zum Teil mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Helferinnen und Helfer entsprechend weitergebildet.

Den kommenden Samstag hat Präsident Uhuru Kenyatta zum nationalen Gebetstag erklärt. Große Versammlungen wird es aber auch aus diesem Anlass nicht geben: Die Kenianerinnen und Kenianer sollten zu Hause beten, sagte Kenyatta. Im Präsidentenpalast soll nur eine kleine Zahl von religiösen Führern zusammenkommen, die elektronischen Medien sollen live übertragen.

Bettina Rühl (epd)