Martin Luther war ein überaus eifriger Liederschreiber, der auch seine Stimmungen in Lieder umsetzte. Das zeigen zum Beispiel die folgenden Titel. Leicht und beschwingt kommt dieser daher: „Nun freut euch liebe Christen gmein und lasst uns fröhlich springen…“ Oder später, als er von Zweifeln zerfressen war: „Aus tiefster Not schrei ich zu dir, mein Gott erhör mein Rufen.“ Oder sein wohl bekanntestes Lied, das ihm Trost und Zuversicht gab: „Ein feste Burg ist unser Gott“.
Wann das Lied entstanden ist, darüber gibt es, soweit ich weiß, keinen sicheren Nachweis. Mir scheint jedoch am plausibelsten, dass Luther dieses Glaubens- und Trostlied 1527 beim Herannahen der Pest dichtete.
Seuchen bestimmten Deutschland (auch) zu Beginn der Neuzeit und die Angst vor einem jähen Tod zog sich durch alle Schichten der Gesellschaft, bis hinauf zum Kaiser Maximilian I. Von ihm heißt es, er habe in den letzten sieben Jahren seines Lebens auf seinen Reisen stets einen Sarg mitführen lassen.
Auf seinen Reisen durch Deutschland hat die Pest mehrmals auch Luthers Weg gekreuzt. Im Juli 1527 tritt sie wieder einmal in Wittenberg auf. Im Spätherbst 1527 lässt das Sterben nach. Ende November schreibt Luther aus Wittenberg an seinen Freund Justus Jonas: „Ich möchte Dich zu baldmöglichster Rückkehr einladen; die Pest ist milder; die Leute fangen wieder an zu heiraten und so sorglos zu leben, wie außer der Pestzeit.“ Wenig später sterben in Luthers Haus fünf Schweine – „der Herr schützte uns und sandte die Pest unter meine Schweine“, schreibt Luther, der nicht wissen konnte, dass Schweine für die Pest wenig empfänglich sind.
Nur ein Jahr später erscheint das Lied „Ein feste Burg“ mit der ebenfalls von Luther stammenden Melodie im „Wittenbergischen Gesangbuch“. Es wird sofort populär und ist bis heute eines der bekanntesten evangelischen Kirchenlieder. Das Bild von Gott als unserer festen Burg fand Luther im Psalm 46 „Gott ist unsere Zuflucht und Stärke“. Dort heißt es im Kehrreim: „Der Herr der Heerscharen ist mit uns, eine Burg ist uns der Gott Jakobs.“
Goethe hat dieses Lied Luthers als zwar derb, aber treffend und durchschlagend charakterisiert. Es ist also bestens geeignet, wenn wir heute angesichts des Coronavirus um Mut und Zuversicht ringen:
Ein feste Burg ist unser Gott,
ein gute Wehr und Waffen.
Er hilft uns frei aus aller Not,
die uns jetzt hat betroffen.
Der alt böse Feind
mit Ernst er’s jetzt meint,
groß Macht und viel List
sein grausam Rüstung ist,
auf Erd ist nicht seinsgleichen.
Mit unsrer Macht ist nichts getan,
wir sind gar bald verloren;
es streit’ für uns der rechte Mann,
den Gott hat selbst erkoren.
Fragst du, wer der ist?
Er heißt Jesus Christ,
der Herr Zebaoth,
und ist kein andrer Gott,
das Feld muss er behalten.
Rolf Becker