Es ist absehbar, dass die Corona-Pandemie auch weiterhin das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben weltweit prägen und verändern wird. Nachdem in einigen europäischen Ländern die erste Infektionswelle langsam zurückgeht, beginnen nun dort die Debatten über die Wege zurück in eine neue „Normalität“.
Gesellschaften resilienter und nachhaltiger gestalten
Auf der einen Seite wird gefordert, die Wirtschaft möglichst schnell wieder hochzufahren mit dem Ziel, durch ein starkes Wirtschaftswachstum die Folgen einer drohenden Rezession auszugleichen.
Auf der anderen Seite gibt es Stimmen, die zu einer neuen Nachdenklichkeit mahnen. Sie raten, den Kairos zu nutzen, um darüber nachzudenken, wie die Ökonomien und Gesellschaften resilienter und nachhaltiger gestaltet werden können. Dazu gehört z.B. eine Priorisierung des Gesundheitswesens, ein bewusster Rückbau der Globalisierung durch den Erhalt und Wiederaufbau nationaler und regionaler Produktkapazitäten und ein konsequenter ökologischer Umbau der Wirtschaft.
Eine andere Normalität
Denn es hat sich in der Coronakrise gezeigt, dass die bisherige globale Wirtschaftsstruktur äußerst verletzbar ist. Ein Prüfstein für die milliardenschweren Rettungspakete sollte deshalb deren Beitrag zu einem zukunftsfähigen Umbau der Wirtschaft sein und sollte folgende Kriterien berücksichtigen:
- eine stärkere Berücksichtigung der sozialen und ökologischen Folgekosten sowie eine Begrenzung der Globalisierung und eine deutliche Regionalisierung der Produktionsstrukturen;
- die Beibehaltung der Maßnahmen aus dem Klimapaket vom Dezember 2019;
- die Ausrichtung weiterer Förderprogramme für die Wirtschaft an den Notwendigkeiten von Klima- und Umweltschutz verbunden mit einem zukunftsfähigen Wirtschafts- und Konsumstil;
- eine Stärkung der kommunalen und kirchlichen Klimaschutzaktivitäten im Gebäude-, Mobilitäts- und Energiebereich;
- eine Intensivierung der Bemühungen zur Einsparung und zur effizienten Verwendung von Rohstoffen durch vermehrte Nutzung von Sekundärrohstoffen.
Die Normalität, zu der wir zurückkehren, sollte aus unserer Sicht eine andere sein als vor der Coronakrise. Wir sollten prüfen, wie eine Wirtschaft der Zukunft aussieht, die ein menschenwürdiges Leben für alle gewährleistet – auch für künftige Generationen – ohne die natürlichen Ressourcen weiter zu schädigen. Dafür setzen sich die evangelischen Kirchen seit vielen Jahren mit großem Engagement ein. Darin sollten wir nicht nachlassen. „Es ist höchste Zeit, dass die Menschheit Wege findet, innerhalb der ökologischen und sozialen Grenzen unseres Planeten zu leben. Ein weiter so geht nicht“ so heißt es in dem Impulspapier der EKD zur Agenda 2030 aus dem Jahr 2018.
Klimaschutz genauso ernst nehmen wie das Virus
Das gilt auch jetzt. Denn, genauso wie das Corona-Virus ist auch der Klimawandel für uns unsichtbar. Doch wir müssen den Klimaschutz genauso ernst nehmen wie das Virus, auch wenn uns die Klimafolgen erst zeitversetzt mit voller Härte treffen werden. Für die Bekämpfung des Klimawandels gibt es keinen Impfstoff, hier hilft nur ein konsequentes verantwortliches Handeln von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Ein zu spätes Handeln würde auch hier zu neuen und möglicherweise noch größeren Krisen führen.
Als Christen glauben wir: Umkehr ist möglich. Wir können anders leben – mit Gottes Hilfe.
Dr. Volker Teichert (FEST Heidelberg), Prof. Dr. Hans Diefenbacher (FEST Heidelberg und Umweltbeauftragter für den Rat der EKD), Dr. Oliver Foltin (FEST Heidelberg), Dr. Ruth Gütter, Referat Nachhaltigkeit der EKD
Stand, 30. April 2020