So hatte sie nicht nur schon in den 1920er Jahren ihrem Mann Themen für seine Predigten als evangelischer Pfarrer vorgeschlagen und diese auch jeweils Korrektur gelesen, wobei die ehemalige Lehrerin sehr auf Verständlichkeit achtete. Sie stand Martin Niemöller auch in der folgenden schweren Zeit des Nationalsozialismus erfolgreich zur Seite und hielt während seiner mehrfachen, jahrelangen Inhaftierungen in der Zeit der Opposition gegen die NS-treue Kirche und des Widerstands in der „Bekennenden Kirche“ den Kontakt mit der Gemeinde in Berlin-Dahlem.
Ganz entscheidend trug Else Niemöller dazu bei, ihren Mann vom Übertritt in den Katholizismus abzuhalten, den er während der Gefangenschaft im KZ Sachsenhausen und nach Gängelung durch die regimenahe Amtskirche längere Zeit ernsthaft in Erwägung zog. Und sie tat dies im fundierten theologischen Diskurs, für den sie sich später noch die Hilfe anderer Religionswissenschaftler holte.
Ohne die Überzeugungskraft seiner Frau wäre Martin Niemöller also nach Kriegsende wohl nicht Kirchenpräsident der EKHN geworden, was er bis 1964 blieb. Mit ihm zusammen organisierte sie bei einer USA-Reise 1946/47 Care-Pakete für notleidende Deutsche und leitete dann bis 1955 das dazu eingerichtete Büro im Außenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), das die Care-Paketaktion auch auf andere Länder ausweitete.
Engagiert in der Frauen- und Friedensarbeit
Dass all das und nicht zuletzt ihr starkes Engagement in der Frauen- und Friedensarbeit nicht in Vergessenheit gerät, ist nicht zuletzt dem aufmerksamen Wiesbadener zu verdanken, der sich an dem verfallenen Grab auf dem Südfriedhof störte. Die EKHN leitete seine Eingabe an die Martin-Niemöller-Stiftung weiter, wie deren Vorstandsmitglied Gerd Bauz berichtet. Die wiederum trommelte eine kleine Runde zusammen, bestehend aus dem Gartenamt und dem Kulturdezernat der Stadt Wiesbaden, dem in Frankfurt lebenden Enkel Christian Niemöller, dem Leiter des Archivs der EKHN und der Stiftung selbst.
Sie haben mittlerweile einiges auf die Beine gestellt: Das Grab ist nicht mehr verwuchert und wird erhalten bleiben. Christian Niemöller übernimmt für zehn Jahre die Grabpflege. Die Stiftung beauftragte die auf Frauenthemen spezialisierte Potsdamer Ethnologin und Soziologin, Jeanette Toussaint, die historische Persönlichkeit Else Niemöller aufzuarbeiten.
Zeitzeugen und Erinnerungsstücke gesucht
Die Wissenschaftlerin hat bereits für einen eigenen Wikipedia-Eintrag zur Frau Martin Niemöllers gesorgt, die 1961 bei einem Urlaub in Dänemark zusammen mit der langjährigen Haushälterin der Familie, Dora Schulz, tödlich verunglückte und mit ihr zusammen in Wiesbaden beerdigt wurde. Toussaint sucht jetzt nach Menschen in Wiesbaden, die sich noch an die Arbeit Else Niemöllers beispielsweise als Ehrenpräsidentin der Westdeutschen Frauenfriedensbewegung erinnern können.
„Vielleicht hat ja auch noch jemand Erinnerungsstücke, etwa eine Einladung zu ihrem Vortrag oder sonstige Zeugnisse aus dieser Zeit“, hofft Stiftungsvorstand Bauz. Das könnte dann auch in die Ausstellung zum Leben Else Niemöllers einfließen, die zusammen mit dem Wiesbadener Frauenmuseum über sie geplant wird. Eine weitere kleine Ausstellung der EKHN zu ihrem Leben und Werk soll in interessierten Kirchengemeinden oder Schulen gezeigt werden.
Im gerade renovierten Martin-Niemöller-Haus in Berlin-Dahlem, wo beide einst zusammen gelebt und gepredigt haben, soll nach Angaben von Bauz ebenfalls ein Ausstellungsteil, mindestens aber eine Erinnerungstafel für Else Niemöller eingerichtet werden. Für die „starke Frau an seiner Seite“, wie es der Stiftungsvorstand ausdrückt.
Gerhard Kneier (epd)