Bedford-Strohm zum Jahrestag des antisemitischen Anschlags in Halle
Ein Jahr nach dem antisemitischen Anschlag auf eine Synagoge in Halle, bei dem ein Attentäter am 9. Oktober 2019 zwei Passanten erschossen hat, erklärt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm:
„Am 9. Oktober erinnern wir uns an den feigen und mörderischen Angriff auf die Synagoge in Halle vor genau einem Jahr am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Dass wir ausgerechnet in diesen Tagen wieder einen Anschlag vor einer Hamburger Synagoge erlebt haben, macht mich tief betroffen. Während unsere jüdischen Geschwister am Jom Kippur die Versöhnung mit Gott feiern und darum beten, von Gott ins Buch des Lebens eingeschrieben zu werden, wird in unserer Gesellschaft eine Chronik der Gewalt und des Hasses gegen Juden fortgeschrieben. Dass es vermeintlich radikalisierte und fanatisierte Einzeltäter sind, darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit bis hinein in unsere demokratischen Institutionen wieder drohen, hoffähig zu werden. 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz breitet sich Hass auf Juden wieder aus. Das ist der Nährboden, auf dem Gewalt gedeiht, wie wir sie in Halle und Hamburg erlebt haben.
Christen und Juden leben von der Barmherzigkeit Gottes und aus der Bereitschaft zu Versöhnung und Umkehr. Darum widerstehen wir jeder Form des Antisemitismus und sagen als Christen: Antisemitismus ist eine Sünde wider Gott. Dass jüdische Gotteshäuser in unserem Land bewacht und gesichert werden müssen, dass jüdische Menschen in Angst und Bedrohung leben, nicht nur, wenn sie Gottesdienst feiern, stimmt mich tief traurig. In Synagogen, Moscheen und Kirchen kommen Menschen zusammen, um zu beten und Gott zu begegnen. Als Orte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe stehen sie allen Menschen offen. Sie zu schützen ist nicht nur Christenpflicht, sondern eine Verantwortung aller. Dass wir unsere Kirchen öffnen und alle Menschen einladen, sie zu besuchen, während gleichzeitig Synagogen aus Sicherheitsgründen verschlossen bleiben und polizeilich bewacht werden müssen, ist für mich ein unerträglicher Widerspruch. Die Tür der Synagoge in Halle hat den Angriffen des Attentäters standgehalten. Gott sei Dank! Sie konnte aber das Blutvergießen nicht verhindern. Menschen wurden verletzt und getötet. Wir gedenken heute der Opfer von Halle. Sie sind uns Mahnung: Antisemitismus ist ein Verbrechen an den Juden und darin immer auch ein Verbrechen gegen die Menschheit.“
Hannover, 8. Oktober 2020
Pressestelle der EKD
Annika Lukas