Urteile des Bundesverfassungsgerichts stellten Weichen der öffentlichen Diskurse über Grundbegriffe des Lebens und tangierten damit die Wahrnehmung des Menschen, schreibt die Tübinger Professorin, die auch dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehört. Im abstrakten Verständnis von Selbstbestimmung sieht sie eine Gefahr für Schwache. Selbstbestimmung gelte dem Leben, schreibt sie. Suizid sei daher kein Regelfall von Selbstbestimmung. Gräb-Schmidt befürchtet sogar, dass sich der Einzelne dem Druck ausgesetzt fühlen könnte, „einen Suizid als Pflicht gegenüber der Gemeinschaft zu verstehen“.
Die Theologin spricht sich in ihrer Analyse für ein legislatives Schutzkonzept in Reaktion auf das Urteil aus, das auf den Schutz vulnerabler Gruppen und die Richtung der öffentlichen Debatte achtet. Solch ein Schutzkonzept hatten die Karlsruher Richter in ihrem Urteil ausdrücklich für möglich erklärt.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar das 2015 verabschiedete Verbot organisierter – sogenannter geschäftsmäßiger – Suizidassistenz für unzulässig erklärt. Der Gesetzgeber wollte damit die von Sterbehilfeorganisationen geleistete Hilfe zur Selbsttötung unterbinden.