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28.11.2020 Landessynode beschließt Haushalt 2021

Herbsttagung der Württembergischen Landessynode beendet

Am letzten Tag ihrer Herbsttagung hat die Württembergische Evangelische Landessynode am Samstag den Haushalt für 2021 mit einem Umfang von 727 Millionen Euro beschlossen. Bereits am Freitag stimmte sie dafür, den Kirchengemeinden eine Corona-Hilfe zukommen zu lassen sowie der „Initiative Lieferkettengesetz“ beizutreten und weitere Hilfsprogramme für Menschen in Not auf den Weg zu bringen. Zum Auftakt der Synode am Donnerstag hatte Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July seinen Bischofsbericht zum Thema Diakonie gehalten, gemeinsam mit dem scheidenden Vorstandsvorsitzenden des Diakonischen Werks Württemberg, Dieter Kaufmann.

Haushalt 2021 verabschiedet

Nachdem die Kirchensteuereinnahmen im Jahr 2019 mit 790 Millionen Euro einen neuen Höchststand erreicht hatten, seien sie im Jahr 2020 Corona-bedingt bisher um gut zehn Prozent zurückgegangen, im Monat Mai betrug der Rückgang sogar mehr als 25 Prozent. „Die gute Nachricht ist, dass wir den wirtschaftlichen Einbruch in Folge der Corona-Krise in 2020 überschätzt haben“, so Finanzdezernent Oberkirchenrat Dr. Martin Kastrup.

Der Haushaltsansatz für 2021 liegt bei 727 Millionen Euro. „Fachlich würden die strategischen Felder ‚Familie‘, ‚Kommunikation‘, ‚Personalmanagement‘ und ‚Digitalisierung‘ fortgeführt. In diesem Jahr bestanden aufgrund der Umstände weder Zeit noch Ressourcen, große neue Schwerpunkte aufzubauen, so Kastrup. Stattdessen wurde über eine Haushaltssperre versucht, Ausgaben zu senken, nicht zwingende Maßnahmen zu verschieben oder gänzlich zu kürzen“, erklärte Kastrup.

Nach wie vor seien im Bereich der Landeskirche die Personalkosten mit rund 350 Millionen Euro der größte Posten, dazu kommen 114 Millionen Euro für Personen in Ruhestand oder Pension. Weiterhin gibt die Landeskirche für die Arbeit mit Flüchtlingen (Flüchtlingspaket IV) zwei Millionen und für die nachhaltige Sicherung der Hochschule Ludwigsburg 1,2 Millionen Euro aus. Verzeichnet ist ebenso die zweite Tranche für den Bau des Verwaltungsgebäudes von 26,5 Millionen sowie 1,1 Millionen Euro für die Modernisierung der evangelischen Mutter-Kind-Kurklinik in Scheidegg.

Der Vorsitzende des Finanzausschusses, Tobias Geiger, sieht große Aufgaben auf die Landeskirche zukommen. Jetzt könne durch hohe Entnahmen aus den Ausgleichsrücklagen die Situation noch abgemildert werden. Allerdings: „Mit dem Haushalt 2021 beschließen wir weder Kürzungen noch Einsparungen, sondern höhere Ausgaben. Die Folge ist ein negatives Gesamtergebnis, das wir durch höhere Entnahmen aus den Rücklagen ausgleichen müssen – in Summe rund 100 Millionen Euro.“ Mehrheitlich forderten die Synodalen eine rasche Diskussion darüber, welche Schwerpunkte die Landeskirche künftig setzen wolle, denn rückläufige Mitgliederzahlen und finanzielle Ressourcen zwängen zur Priorisierung.

Corona-Hilfe für Kirchengemeinden

Schon am Freitag hatten die 91 Landessynodalen beschlossen, dass die rund 1.200 Kirchengemeinden der Landeskirche im Jahr 2021 eine Corona-Hilfe von insgesamt 2,5 Millionen Euro als Sonderzuweisung bekommen. Damit soll ein kleiner finanzieller Spielraum eröffnet werden, um Kürzungen abzumildern und Verluste auszugleichen, so der Vorsitzende des Finanzausschusses, Tobias Geiger.

Betritt zur „Initiative Lieferkettengesetz“ und Unterstützung für „United4Rescue“

Ebenfalls am Freitag beschloss die Synode, der „Initiative Lieferkettengesetz“ beizutreten, einem Zusammenschluss zahlreicher Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltorganisationen. Die Initiative will die Bundesregierung dazu bewegen, mittels eines Lieferkettengesetzes dafür zu sorgen, dass Unternehmen ab einer gewissen Größe auch bei ihren Standorten und Lieferanten weltweit auf Menschenrechte achten und Umweltzerstörung vermeiden sollen. Damit könne die Kirche dazu beitragen, dass „das längst fällige Gesetz für die Beachtung menschenrechtlicher Standards in den Lieferketten von Unternehmen auf den Weg und endlich zu einer Beschlussfassung gebracht wird“, so die Vorsitzende des zuständigen Ausschusses für Kirche, Gesellschaft, Öffentlichkeit und Bewahrung der Schöpfung, Annette Sawade. Die Vorsitzende des Ausschusses für Mission, Ökumene und Entwicklung, Yasna Crüsemann, berichtete, dass nach dem Beitritt der Landeskirche zum Bündnis United4Rescue rund 40 Kirchengemeinden dem Bündnis beigetreten seien und 10.000 Euro an Spenden gesammelt hätten. Auf synodale Initiative hin habe nun auch die Landeskirche 75.000 Euro aus ihrem Nothilfefonds für die Arbeit des Bündnisses zur Verfügung gestellt.

Bericht über weltweite Verfolgungssituationen

Fundamentalismus sei das derzeit größte Motiv für die weltweit stark zunehmende Verfolgung und Bedrängung religiöser Minderheiten, stellte Kirchenrat Klaus Rieth in seinem jährlichen Bericht über weltweite Verfolgungssituationen fest. Insbesondere Christen und Christinnen hätten darunter zu leiden. Daneben stünden komplexe nationalistische, politische, stammesrechtliche, ethnische und wirtschaftliche Motive, bis hin zu Drogenhandel und Nahrungskonflikten. „Einfache Antworten oder Patentrezepte gibt es nicht. Hilfsansätze taugen nur, wenn sie der jeweiligen Gesamtsituation Rechnung tragen.“ Die Corona-Krise, so Rieth, verstärke die Unterdrückungssituation. Rieth betonte, dass derzeit 79,5 Millionen Menschen auf der Flucht seien – eine Verdoppelung gegenüber 2010 und neun Millionen Menschen mehr als im Vorjahr. Mit Blick auf die Situation in Griechenland, in der Türkei und Italien appellierte er an die europäische Gemeinschaft: „Ein Kontinent, der sich als christliches Abendland bezeichnet, sollte hier deutlicher seine Aufgabe gegenüber den Notleidenden wahrnehmen, als das derzeit der Fall ist. Ansonsten sind die sogenannten Werte der europäischen Wertegemeinschaft nicht das Papier wert, auf dem sie stehen.“ 

Hilfe für Menschen in Not

Auch hierzulande sollen Menschen in Not weiter unterstützt werden, konkrete Maßnahmen zur Förderung der Teilhabe langzeitarbeitsloser und anderer benachteiligter Menschen fortgesetzt und dabei die Zusammenarbeit zwischen Kirchengemeinden und diakonischen Einrichtungen vertieft werden, wie Jörg Beurer, Vorsitzender des Diakonieausschusses sagte. „Wir sind als Kirche gefordert, einem verstärkt drohenden Bruch in unserer Gesellschaft in Arm und Reich entgegenzuwirken, Menschen für dieses Anliegen zu gewinnen und auf die Politik einzuwirken“. Trotz rückläufiger Kirchensteuereinnahmen solle das Diakonische Werk Konzepte entwickeln, nachdem das erfolgreiche Programm „Kirche trotzt Armut und Ausgrenzung“ nun ausgelaufen sei, das über Beschäftigungs- und Teilhabegutscheine Langzeitarbeitslosen geholfen habe.

Bereits am Donnerstag hatte der Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg, Dieter Kaufmann über die konkrete „Mutmacher“-Soforthilfe berichtet, für das die Landessynode im Juli eine Million Euro zur Verfügung gestellt hatte. Jede Woche erreichten das Diakonische Werk Württemberg dankbare Berichte und eindrucksvolle Erzählungen. Die Menschen seien oft sehr überrascht und könnten nicht glauben, dass sie in der jetzigen Situation Unterstützung von der evangelischen Kirche erhielten und jemand an sie denke. Ebenso hätten sich die 120 Diakonischen Einrichtungen in Württemberg sehr für obdachlos gewordene Menschen während der Corona-Pandemie eingesetzt.

Gemeinde- und Innovationskongress

Weiterhin sprach sich die Landessynode für einen Gemeinde- und Innovationskongress aus. Themen sollen etwa Strategien zur Zukunft der Kirche, Neue Aufbrüche, Impulse aus dem Netzwerk FreshX sowie Modelle aus anderen Landeskirchen sein. Dabei sollen dem Vorsitzenden des Ausschusses für Kirchen- und Gemeindeentwicklung, Kai Münzing, zufolge auch die Erfahrungen mit digitalen Formaten aus der Corona-Zeit berücksichtigt werden. Ein Zeitpunkt steht Corona-bedingt noch nicht fest. Die Finanzierung soll in die mittelfristige Finanzplanung aufgenommen werden.

Aktuelle Stunde

In einer Aktuellen Stunde beschäftigte sich die Synode damit, wie Kirche auf Verschwörungserzählungen reagieren kann. Einigkeit herrschte darin, dass man keine Vergleiche der gegenwärtigen Situation mit dem NS-Regime und dessen Opfern tolerieren dürfe. Weitere „rote Linien“ seien etwa die Ausgrenzung von Minderheiten oder auch neue Formen des Antisemitismus. Einige Synodale vertraten, dass man im Gespräch mit Menschen bleiben müsse, die Verschwörungserzählungen anhingen. Kirche könne aufgrund ihrer Botschaften klar widersprechen und dem Hass entgegentreten. Gleichzeit gelte es wahrzunehmen, dass das „Hoffnungspotential“ vieler Menschen ausgeschöpft sei und dies in Angst und Enge führe. Auch geistliche Angebote müssten gemacht werden, etwa zu Resilienz, Stille und Gebet. Angesichts von Angriffen auf die Werte der Demokratie seien immer wieder deutliche kirchliche Positionierungen erforderlich. Insgesamt hielten die Synodalen die Verstärkung der Medienkompetenz für notwendig, sowie gezielte Bildungsangebote und Wachsamkeit für Ausgrenzung.

Bischofsbericht

In seinem Bericht am Donnerstag hatte Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July auf die enge Verwobenheit von Kirche und Diakonie hingewiesen. Gerade in Pandemiezeiten werde deutlich, dass „wie selten zuvor Einrichtungen der Diakonie – ob Pflegeheime, Pflegedienste, Krankenhäuser, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen – wahr- und auch in Anspruch genommen würden. Hier erwartet man in besonderer Weise einen angemessenen Umgang mit Menschen in besonderen Notlagen.“ Gleichzeitig erlebten gerade Menschen, die der Kirche fernstünden, kirchliches Leben und Handeln dort als besonders glaubwürdig und angemessen, wo die Kirche Alten, Kranken, Schwachen helfe, wo sie sich für die Rechte von Unterdrückten und Schutzbedürftigen einsetze oder Menschen in akuten Notlagen berate. Gleichzeitig zeige sich, dass manche die Diakonie nicht mit Kirche in Zusammenhang brächten und vielen auch nicht bekannt sei, was in der Landeskirche alles geschehe und geleistet würde.

„Die Diakonie erfüllt nicht nur ihren kirchlichen Auftrag, sondern schafft auch Zugänge zum Glauben,“ ist Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, scheidender Vorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg überzeugt. Durch ihre diakonischen Dienste und Einrichtungen komme die Kirche mit Kirchenmitgliedern und Nichtmitgliedern in Kontakt und könne in diesen Diensten das Evangelium weitergeben. Nur gemeinsam könnten Kirche und Diakonie sich für eine stärkere gesellschaftliche und politische Wertschätzung sozialer Berufe und Tätigkeiten einsetzen. Formen diakonischen Engagements wie in Vesperkirchen, Diakonieläden, Hospizgruppen oder Flüchtlingsarbeit würden zum Mitwirken einladen, sagte Kaufmann. „Manches Kirchenmitglied findet dadurch aus der Distanz in die Nähe seiner Gemeinde.“

July wies auf die Situation von Familien mit Kindern mit Behinderung hin, ihnen drohe gesellschaftliche Ausgrenzung. In der Gesellschaft werde der Wert der Geburt und des Aufwachsens von Kindern mit Behinderung in Zweifel gestellt und Kindern mit einer Behinderung immer häufiger ihr fundamentales Recht auf Leben abgesprochen oder das Recht in Zweifel gestellt, geboren zu werden.

Wechsel in der Landessynode

Einen Wechsel gibt es bei den Mitgliedern der Landessynode: Für den inzwischen zum Prälaten von Heilbronn ernannten Ralf Albrecht, der dem Gesprächskreis Lebendige Gemeinde angehörte, rückt aus dem Wahlkreis Calw-Nagold/Neuenbürg Pfarrer Dr. André Bohnet vom Gesprächskreis Evangelium und Kirche nach. Damit ändern sich die Mehrheitsverhältnisse in der Synode: Größter Gesprächskreis ist mit weiterhin 31 Personen nun die Offene Kirche, der Gesprächskreis Lebendige Gemeinde hat nunmehr 30 Stimmen, Evangelium und Kirche 17, Kirche für morgen unverändert 12.

Die Tagung fand aufgrund der Corona-Situation in einem hybriden Format statt, bei dem die meisten Beteiligten digital zugeschaltet waren. Die nächste Tagung der Landessynode findet vom 19. bis 20. März statt.

Oliver Hoesch                                                 

Sprecher der Landeskirche