Wie kann man erklären, dass Gottesdienste stattfinden, aber Theater geschlossen bleiben?
Kurschus: Gerade die Gottesdienste zum Weihnachtsfest sind hier ein sprechendes Beispiel. Selbst für Menschen, die sonst wenig mit Kirche verbinden, ist der Gottesdienstbesuch an Heiligabend häufig ein festes Ritual. Gewiss, er gehört „einfach so“ dazu. Und doch ist da womöglich die Ahnung: Hier geht es um etwas, das ich mir selbst nicht sagen kann. Hier kommt eine Kraft ins Spiel, die über meine begrenzten Möglichkeiten hinausgeht. Das ist das „Mehr“, das Gottesdienste grundlegend von anderen kulturellen Veranstaltungen unterscheidet. Um es mit einem Bild zu sagen: Mit unseren Gottesdiensten halten wir das Fenster zum Himmel einen Spalt breit offen. Übrigens: Es ist wenig sinnvoll, Kirche und Kultur gegeneinander auszuspielen. Unsere Kirchenräume sind von jeher selbst prominente Orte der Kultur, der Musik, der Kunst.
Sollten Kirchen in der Debatte über die Kontaktbeschränkungen ihre Rechte öffentlich immer wieder betonen?
Kurschus: Ich habe nicht den Eindruck, dass wir dies tun – und es ist auch nicht nötig, es zu tun. Schließlich geht es um ein verfassungsmäßig garantiertes Grundrecht, das unser Grundgesetz von sich aus unter besonderen Schutz stellt. Mir liegt eher daran deutlich zu machen, wie unverzichtbar unsere Arbeit ausgerechnet jetzt ist – über das Angebot von Gottesdiensten hinaus: im Bereich der Seelsorge, in unseren diakonischen Aufgaben und Einrichtungen, in unseren Kindertagesstätten, bei Beerdigungen. Gerade weil wir unsere gesellschaftliche Verantwortung sehr ernst nehmen, bleiben wir – immer mit geeigneten Schutzmaßnahmen – auch und gerade in dieser Situation präsent.