Welche?
Bedford-Strohm: Eine gute palliative Begleitung, Schmerzmedizin und eine gute seelsorgerliche Unterstützung. Es gibt im Extremfall palliative Sedierung. Viele wissen nicht, was schon jetzt möglich ist. Natürlich ist der Wunsch, selbstbestimmt zu sterben, zu respektieren. Schon jetzt kann mir mit guten Gründen niemand eine lebensverlängernde Maßnahme verordnen, die ich nicht will.
Wenn ein Betroffener aber trotzdem Suizidassistenz in Anspruch nehmen will, wie soll sich die evangelische Einrichtung konkret verhalten?
Bedford-Strohm: Für mich ist klar, dass wir uns nicht organisatorisch beteiligen können, weil wir mit dem assistierten Suizid nicht einverstanden sind. Alle anderen Formen der Begleitung müssen offenbleiben und es bleibt jetzt zu klären, welche das sind. Wir müssen dazu auch die betroffenen Einrichtungen fragen. Da stehen wir erst am Anfang eines Prozesses, für den jetzt erst einmal der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen schafft. Nochmal: Wir lassen niemanden allein. Auch ich habe schon mit Menschen gebetet, dass Gott sie sterben lassen möge. Das ist aber etwas anderes, als mich zum Teil eines organisierten Prozesses zur aktiven Beendigung menschlichen Lebens zu machen.
Was bedeutet für Sie „organisiert“?
Bedford-Strohm: „Organisiert“ würde bedeuten, dass die Kirche Teil eines Prozesses wird, an dessen Ende der Suizid eines Menschen stehen soll. Zum Beispiel darf die Beratung betroffener Menschen nicht nur die zu absolvierende Vorstufe dafür sein, dass ein Mensch alle Mittel für den Suizid zur Verfügung gestellt bekommt.
Durch die Diskussion sind Meinungsunterschiede zu dem Thema in der evangelischen Kirche sichtbar geworden. Wie geht es nun weiter?
Bedford-Strohm: Es geht jetzt darum, in diesem Spannungsfeld einen konkreten Weg zu finden. dazu gehört auch die Frage, ob und inwieweit das überhaupt „von oben“ festgelegt werden kann. Gewissensentscheidungen in Grenzfällen entziehen sich ohnehin solchen Festlegungen. Ich gehe davon aus, dass es innerhalb der evangelischen Kirche zwar keinen vollständigen Konsens geben wird, wohl aber eine gemeinsame Grundhaltung für den Lebensschutz. Die hat auch der Rat der EKD als gewähltes Repräsentativorgan der EKD in seiner Position deutlich zum Ausdruck gebracht.
Und Sie meinen, die Position wird sich durch die Diskussion nicht verändern?
Bedford-Strohm: Jede Diskussion muss ergebnisoffen sein, sonst braucht man nicht zu diskutieren. Aber ich sage zugleich, die jetzige Position ist das Ergebnis langjähriger Diskussionsprozesse. Ich erwarte nicht, dass sie sich grundlegend ändern wird. Eher müssen wir genauer klären, wie wir diese Gratwanderung schaffen zwischen der Ablehnung der aktiven Beendigung menschlichen Lebens und der Sensibilität für Dilemmasituationen, die Gewissensentscheidungen erfordern. Mir geht es um eine substanzielle Debatte in gegenseitiger Achtung und Respekt. Wir brauchen keine Empörungsdebatte. Dass eine respektvolle Diskussion auch bei sehr unterschiedlichen Positionen möglich ist, hat nicht zuletzt der Bundestag mit seiner Behandlung des Themas eindrucksvoll gezeigt.
Manche sagen, man muss die Sterbehilfe liberalisieren, damit Menschen nicht auf geschäftsmäßige Sterbehilfeorganisationen angewiesen sind. Was sagen Sie dazu?
Bedford-Strohm: Es ist kein Weg, etwas, das man ablehnt, lieber besser machen zu wollen. Das ist für mich auch ethisch nicht stimmig. Die Unverfügbarkeit menschlichen Lebens liegt für mich in der Gottebenbildlichkeit des Menschen begründet. Deswegen gibt es mit guten Gründen diese innere Hemmung gegen die aktive Beendigung menschlichen Lebens. Und deswegen ist es falsch zu sagen, dass die evangelische Kirche sich mitschuldig daran macht, dass Menschen zu zweifelhaften Sterbehilfeorganisationen gehen, weil wir es nicht selbst machen.
Der Gesetzgeber könnte eine Neuregelung der Suizidassistenz oder ein Schutzkonzept auf den Weg bringen. Haben Sie eine Vorstellung, wie das aussehen könnte?
Bedford-Strohm: Auch dem Bundesverfassungsgericht ist ja sehr bewusst, dass das Thema assistierter Suizid offen für Missbrauch ist. Deswegen hat es angeregt, ein Schutzkonzept durch den Gesetzgeber auf den Weg zu bringen. Wir als Kirchen wollen an dem Gesetzgebungsprozess mitwirken. Wir wollen aber nicht daran mitwirken, um den assistierten Suizid zu ermöglichen, sondern um im Sinne einer Optimierung der Schutzmaßnahmen wie etwa intensiver palliativer und seelsorgerlicher Betreuung einzuwirken. Es darf nie ein Fall eintreten, in dem ein Mensch sich den Tod wünscht, weil er nicht menschlich oder schmerzmedizinisch gut begleitet worden ist. Das ist aus meiner Sicht auch bei allen Akteuren, die jetzt diskutieren, konsensfähig. Und natürlich ist auch Beratung Teil eines solchen Konzepts.
Will sich die EKD in einem möglichen Gesetzgebungsprozess für Ausnahmen für kirchliche Einrichtungen einsetzen?
Bedford-Strohm: Von einer solchen Debatte sind wir weit entfernt. Ich sehe auch nicht, dass am Ende des Gesetzgebungsverfahrens eine explizite Verpflichtung herauskommen wird, dass es in jeder Einrichtung die organisierte Möglichkeit zum assistierten Suizid geben muss. Keine Einrichtung kann gezwungen werden, sich daran zu beteiligen. Wir werden aber bis zuletzt keinen Menschen alleinlassen.
Sie wünschen sich bei dem Thema auch Konsens mit der katholischen Kirche. Bei ethischen Fragen ist das gar nicht so selbstverständlich. Warum ist Ihnen in diesem Fall der ökumenische Schulterschluss so wichtig?
Bedford-Strohm: Wir kommen nicht aus kirchenpolitischen Gründen zu unseren Positionen, sondern sind inhaltlich von dem überzeugt, was wir vertreten. Der ökumenische Konsens über manche ethischen Fragen ist größer, als es manchmal dargestellt wird. Bei der Sterbehilfe haben wir sogar einen breiten Konsens: Für uns steht der Lebensschutz im Vordergrund, ohne die Grenzsituationen auszublenden.
epd-Gespräch: Corinna Buschow und Franziska Hein