EKD News

Experimente zwischen Touchscreen und Orgelpfeifen – EKD


Das Projekt heißt „Singen – Orgel 4.0“ und wird von der Württembergischen Landeskirche sowie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Spendern gefördert. Ammer arbeitet außerdem eng mit dem Zentrum für Musikinformatik an der Musikhochschule Detmold zusammen. Mit Fördermitteln aus dem Innovationsfond der EKD wird beispielsweise gerade die Programmierung einer Midi-Bridge als Schnittstelle zwischen Orgel und Computer finanziert.

Um die Pfeifen der Orgel zum Klingen zu bringen, muss Ammer jetzt nicht mehr oben auf der Empore sitzen, von wo aus er die Gemeinde kaum sieht. Jetzt kann er inmitten der Gemeinde am neuen Spieltisch musizieren und unmittelbar auf ihren Gesang reagieren. „Das macht unglaublich viel aus.“ Der Spieltisch ist mit der Orgel nur durch ein Kabel verbunden.

Noch einen weiteren Vorteil bringt die Digitalisierung: Ammer, der auch Präsident des Verbandes Evangelischer Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in Deutschland ist, kann nun den Zusammenklang von Hauptorgel, Rückpositiv und Chororgel so wahrnehmen, wie ihn auch seine Zuhörer erleben. Der Nachhall in der neugotischen Orgel beträgt immerhin mehr als fünf Sekunden.

Ammer ist überzeugt, dass sich für die Orgelmusik durch sein Projekt neue klangliche Möglichkeiten eröffnen. „Ich kann mit der Orgel mittels Laptop und entsprechender Software Klavier- oder Saxophonsounds spielen. Oder Notensätze direkt vom Computer spielen lassen“. Die Orgel sei ein Multitool geworden, es gebe kaum Grenzen, sagt Ammer. Man könne sie Melodien und Improvisationen spielen lassen. „Die Orgel kann im Notfall sogar ohne Organisten den Gottesdienst begleiten – wenn sich kein Organist findet, was auf dem Land immer öfter der Fall ist.“

Und doch sieht Ammer den Einzug der digitalen Technik nicht unkritisch. Vor allem bei rein digitalen Orgeln, die keine Pfeifen, sondern nur Lautsprecher haben. „Das ist ein ordentlich gemachter Fake, aber eben kein Original“, sagt Ammer. An manchen Einsatzorten seien diese Orgeln praktisch, aber ihr Klang reiche nicht annähernd ans Original heran. „Pfeifen bringen alle Obertöne zum Schwingen und Klingen ohne durch die Mechanik gesetzte Grenzen. Das ergreift den ganzen Menschen.“

So faszinierend die technischen und musikalischen Möglichkeiten solch einer digitalisierten Orgel seien, so wichtig sei es, die Folgen in den Blick zu nehmen, sagt Ammer. „Das Projekt hat zum Ziel, mit dem Einsatz von Digitalisierung das Singen der Gemeinde bestmöglich zu unterstützen und zu fördern und zum Beispiel auch die Auswirkungen auf den Gottesdienst zu diskutieren. Wenn das Projekt letztlich mehr Menschen zum Erlernen des Orgelspiels bringt, ist ein weiteres Ziel erreicht.“

Vom 16. bis 18. April will Ammer ein Orgelsymposion für Orgelbauer, Kirchenmusiker, Pfarrer u.a. veranstalten. Fest steht aber schon jetzt: „Die Orgel ist ein vielseitiges, faszinierendes Instrument. Die Digitalität macht sie noch universeller und interessanter.“

Von Sven Kriszio