Bremen (epd). Wenn die Sonnenstrahlen durch die berühmten Fenster des französischen Glaskünstlers Alfred Manessier in die Bremer Liebfrauenkirche fallen, wirkt der Innenraum wie verzaubert. Überall bunte Tupfen, die auf rotem Backstein leuchten, manchmal, durch die Glasbrechung, auch tanzen. „Licht, das singt“, sagen Freunde der Kirche. Es sind Momente wie dieser, die Johann Daniel Noltenius Kraft geben. „Unser Lieben Frauen schenkt mir Heimat, hier kenne ich jeden Stein“, sagt der langjährige Verwaltungschef der Bremischen Evangelischen Kirche, der nun in den Ruhestand geht.
Für die bremische Kirche saß er in der Kirchenkonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm würdigt dieses Engagement: „Jan Noltenius hat als Vorsitzender des Arbeitsausschusses der EKD-Kirchenkonferenz über viele Jahre die Zusammenkünfte der Leitenden Geistlichen und Leitenden Juristen der EKD mitgeprägt. In diese Zeit fiel u.a. die Reformationsdekade und das Refoirmationsjubiläum 2017. Durch seine Besonnenheit, seine Kompetenz und seinen Humor hat er wesentlich zu einem guten gemeinschaftlichen Geist beigetragen. Ich danke ihm von Herzen für sein Wirken und für all den Segen, der daraus für Kirche und Gemeinwesen erwachsen ist.“
Vieles, was man gemeinhin typisch hanseatisch nennt, bringt Noltenius mit. Sein Verhältnis zu Moral, Ethik und Familie verrät eine wertkonservative Grundeinstellung. Er ist pragmatisch, engagiert sich sozial, ohne groß darüber zu reden, war beseelt von einem unerschütterlichen Enthusiasmus für seine Aufgabe. Die hatte es in sich: Noltenius stand 30 Jahre in Diensten der bremischen Kirche, die mancher despektierlich schon mit einem Sack Flöhe verglichen hat. Am 19. März wird der 65-jährige Jurist verabschiedet.
Im Konzert von 61 Gemeinden und vielen Werken und Ämtern in der Öffentlichkeit eine kirchliche Stimme zu formen, die gehört wird, das ist zuweilen schwierig. Nicht zuletzt aufgrund der Glaubens-, Gewissens- und Lehrfreiheit der Gemeinden, die in der bremischen Kirchenverfassung steht und in dieser Form bundesweit einmalig ist. Doch es sei gerade diese Vielfalt, die zu den Stärken der bremischen Kirche gehöre, meint der Kanzleichef.
Wenn in Streitfällen Vermittlung gefragt war, hat ihm Bremer Gelassenheit geholfen, sagt Noltenius, der nun schon in neunter Generation den Vornamen Johann Daniel trägt. So hieß auch schon der Sohn jenes Pastors aus Ringstedt nahe Bremerhaven, der 1707 im Trend der damaligen Zeit den schlichten Namen Nolte ablegte und sich fortan wesentlich klangvoller Johannes Henricus Noltenius (1686-1755) nannte.
Der scheidende Chef der bremischen Kirchenverwaltung gehört zu einer einflussreichen Bremer Bürgerfamilie, zu der neben Juristen und Pastoren auch Ärzte, Kaufleute, Reeder, Architekten und Bürgermeister zählen. Er wuchs in einem christlich geprägten Elternhaus auf, wobei Noltenius besonders durch seinen Vater, den Bremer Architekten Jan Noltenius, und seine „Lieblingstante“ Elisabeth geprägt wurde. Die Malerin bewies unter anderem durch ihr Eintreten für jüdische Künstlerinnen Zivilcourage.
Vor seinem Dienst in der Kirche hatte Noltenius in Würzburg und Lausanne Jura studiert. 1985 promovierte er mit einer Arbeit aus dem Zivilrecht. „Das Recht muss dem Menschen dienen und nicht der Mensch dem Recht“, lautet seine Überzeugung. Erste berufliche Schritte unternahm er in einer Bremer Anwalts-Sozietät für Wirtschafts- und Seerecht. „Das passte nicht“, bilanziert Noltenius, der in dieser Zeit auch eine schwere Krankheit verkraften musste. Damals habe er Gelassenheit und Gottvertrauen gelernt, meint er heute.
Rückblickend sind es vor allem der Erhalt einer selbstständigen Bremischen Evangelischen Kirche, ein millionenschweres Investitionsprogramm für zukunftsfähige und am Bedarf orientierte Gebäude sowie der Deutsche Evangelische Kirchentag 2009 in Bremen, die Noltenius in seiner Bilanz als wichtige Punkte nennt. Und trotz rückläufiger Mitgliederzahlen und sinkender Kirchensteuern sei ihm um die Zukunft der Kirche nicht bange. Schließlich habe sie mit dem Evangelium die beste Botschaft, die es gebe: „Die gilt es, den Menschen nahe zu bringen – auch wenn wir kleiner werden.“
Gefragt nach seinen Prioritäten steht seine Familie an der Spitze. „Die eigenen Wurzeln zu kennen, das ist einfach ein solides inneres Fundament“, meint der Jurist, dessen Familienwappen eine Sonnenblume zeigt, dem Licht zugeneigt. Das hat für Noltenius Symbolkraft: „Quo pergis eodem vergo“, wo du bist, will ich sein, lautet der Sinnspruch dazu, der für ihn das Verhältnis des Menschen zu Gott beschreibt. Sein Glaube, betont Noltenius, „bleibt die stärkende Kraft in meinem Leben“.