Aus der Praxis wisse sie, “dass Sterbewünsche nicht aus heiterem Himmel fallen”. Gründe seien unter anderem Einsamkeit oder Depression. Erste Aufgabe sei es, zu schauen, ob anders geholfen werden könne. Dafür könnten Lösungen gefunden werden. Bleibe jemand beim Wunsch nach Suizidassistenz, müssten Lösungen andernorts gesucht werden, etwa in einer “häuslichen Situation”, sagte Schwaetzer.
Karle widersprach. Sie finde es schwierig, wenn kirchliche Einrichtungen etwa an Sterbehilfeorganisationen verweisen würden. Die Theologin entfachte Anfang des Jahres gemeinsam mit anderen Vertretern aus Kirche und Diakonie die Debatte um Suizidassistenz mit einem öffentlichen Plädoyer, diese Form der Sterbehilfe für kirchliche Einrichtungen nicht gänzlich auszuschließen.
“Suizide kommen in der Diakonie vor”, sagte Karle. Man könne nicht so tun, als sei das nicht so. Nach ihrem Vorschlag hätten sich Diakonie-Beschäftigte bei ihr gemeldet, die von Suizidversuchen mit Tabletten oder Stürzen aus dem Fenster in Heimen berichtet hätten. Das belaste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und müsse deshalb offen diskutiert werden, sagte sie.
Karle betonte zugleich, es müsse ein Schutzkonzept geben, um etwa vor Druck von außen zu schützen. Ihren Vorschlag beziehe sie ausschließlich auf todkranke Menschen, auch wenn das Bundesverfassungsgericht das Recht auf Hilfe beim Suizid nicht an Bedingungen wie Alter und Krankheit festmacht.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das Verbot der organisierten – sogenannten geschäftsmäßigen – Hilfe bei der Selbsttötung gekippt. Die Richter urteilten, dass das Recht auf Selbstbestimmung auch das Recht umfasst, sich das Leben zu nehmen und dabei die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Suizidassistenz leistet, wer einem Sterbewilligen ein todbringendes Medikament überlässt, aber nicht verabreicht.