Erklärung der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland
Anlässlich des Internationalen Tages der Familie am 15. Mai fordern der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Prälat Dr. Martin Dutzmann, und der Leiter des Kommissariats der Deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin, Prälat Dr. Karl Jüsten, mehr Engagement bei der Zusammenführung der Familien von Flüchtlingen und subsidiär Geschützten.
„Die Familie ist ein besonders wichtiger Lebensraum, in dem dauerhaft Verantwortung füreinander übernommen wird und Vertrauen wachsen kann. Für die Kirchen ist die Familie ein sehr hohes Gut, das es zu schützen gilt“, sagt Prälat Dr. Martin Dutzmann. Sowohl Flüchtlinge als auch subsidiär Geschützte müssten häufig jahrelang auf ein Wiedersehen mit ihren Familien warten. Das dürfe nicht so bleiben. Es müsse deshalb alles getan werden, damit Familien schnellstmöglich zusammengeführt werden, so die beiden Prälaten.
Anerkannte Flüchtlinge haben einen Anspruch darauf, ihre Familie nachzuholen. Für subsidiär Geschützte ist der Familiennachzug seit 2018 indes nur noch aus humanitären Gründen und für maximal 1.000 Personen pro Monat möglich. „Da sich die tatsächliche Lebenssituation von Flüchtlingen und subsidiär Geschützten nicht voneinander unterscheidet, ist es nicht nachvollziehbar, dass subsidiär Geschützte nicht ebenfalls ein Recht auf Familiennachzug haben“, stellt Prälat Dr. Karl Jüsten fest.
Neben diesen gesetzlichen Hürden für subsidiär Geschützte, gibt es für alle international Schutzberechtigten erhebliche praktische Schwierigkeiten bei der Familienzusammenführung. Dazu zählen lange Wartezeiten an den deutschen Auslandsvertretungen und fehlende bzw. schwer zu beschaffende Dokumente. „Manche Menschen warten jahrelang darauf, ihre Lieben wiederzusehen. Nicht selten zerbrechen in dieser Zeit Ehen oder es versterben Familienangehörige. Das ist unerträglich“, so Prälat Dutzmann. Zusätzlich erschwert die Pandemie den Nachzug massiv. Martin Dutzmann dazu: „Hier bedarf es einer flexibleren und besser auf das Wohl der Familien ausgerichteten Gangart“. Dr. Jüsten ergänzt: „Die Integration fällt schwer, wenn die Sorge um Angehörige im Erstzufluchtsland oder Herkunftsland alles bestimmt. Das Verfahren müsste vereinfacht und beschleunigt werden.“
Hintergrund:
Die Familienzusammenführung zu Ausländern unterliegt unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen. Grundsätzlich muss der Ausländer gemäß der §§ 29 ff. AufenthG im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sein und über ausreichenden Wohnraum für sich und seine Familie verfügen. Außerdem muss die Identität der einreisenden Angehörigen geklärt und der Lebensunterhalt gesichert sein (§ 5 Abs. 1 AufenthG). Ehepartner müssen sich darüber hinaus auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können. Diese Anforderungen werden jedoch bei Asylberechtigten, anerkannten Flüchtlingen und anderen Inhabern humanitärer Aufenthaltstitel erleichtert, wenn der Antrag auf Familiennachzug innerhalb von drei Monaten nach Zuerkennung der Schutzberechtigung gestellt wurde und die Familienzusammenführung nicht in einem Drittstaat, zu dem die Familie eine besondere Bindung hat, möglich ist (§ 29 Abs. 2 AufenthG).
Anerkannte Flüchtlinge haben beim Vorliegen der Voraussetzungen in der Regel einen Anspruch auf Familienzusammenführung. Demgegenüber kann der Kernfamilie subsidiär Geschützter nur eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erteilt werden, die Erteilung der Visa ist auf maximal 1.000 pro Monat begrenzt (§ 36a Abs. 1 AufenthG), es besteht also gerade kein Anspruch auf Familiennachzug.
Seit der Einschränkung wurde die Grenze von 1.000 erteilten Visa pro Monat meist nicht ausgeschöpft, obwohl Beratungsstellen davon berichten, dass viele Familien noch auf Termine bei den deutschen Auslandsvertretungen warten. Den Angehörigen von subsidiär Geschützten wurden seit der Einführung des § 36a Abs. 1 AufenthG bis Dezember 2020 statt der denkbaren 29.000 Visa nur 19.056 Visa erteilt, das entspricht 65,7 % der möglichen Visaerteilungen.
Der Familiennachzug im Allgemeinen ist im Jahr 2020 (75.978 Visa) um 29,3 Prozent zurückgegangen im Vergleich zu 2019 (107.520 Visa). Hintergrund hierfür ist auch, dass die Arbeitsfähigkeit vieler Visastellen seit Beginn der Covid-19-Pandemie erheblich eingeschränkt ist. Aktuell warten etwa 11.000 Personen auf einen Termin zur Antragstellung (Stand Ende 2020).
Hannover, 11. Mai 2021
Pressestelle der EKD
Annika Lukas