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Eine Orgelvideothek für die ganze Welt – EKD


Die Orgelvideothek dient nicht allein als Notbehelf in Zeiten von Corona. Zunächst einmal können sich Künstler und Wissenschaftler weltweit über verschiedene Orgeln informieren. Das ist nicht nur theoretisch wichtig, sondern vor allem, damit sich die Musiker beim Spielen auf die spezifischen Eigenschaften des jeweiligen Instruments einstellen können. Außerdem, sagt Bossert, sei damit eine „deutlich stringentere und individuellere“ Lehre möglich. Und es würden „neue Prüfungsformate entwickelt“.

Bossert arbeitet seit Jahrzehnten mit Organisten auf der ganzen Welt zusammen. Kollegen werden auch Videos beisteuern. Dazu braucht jeder Film eine ähnliche Struktur. Zuerst geht es um das Äußere des Instruments, dann um die Klangfarben. Und: „Danach wird es ziemlich differenziert.“ Das liegt nicht allein daran, dass so viele Orgeln Einzelstücke sind. Das liegt auch in der Geschichte und daran, dass Bossert die Geschichte der europäischen Orgelkunst teilweise neu zeigen möchte.

Es stehen sich darin nämlich die Vertreter eines reinen, frühbarocken Orgelklangs und die Romantiker mit ihren individuellen und gemischten Klangfarben gegenüber. Bossert sieht allerdings – über alle Grabenkämpfe hinweg – mehr Übergänge zwischen Barock und Romantik, als die Puristen es wahrhaben wollen. So sei das brandneue Instrument, das den jungen Johann Sebastian Bach in Arnstadt prägte, durchaus zukunftsweisend gewesen. Das war 1703. Am Ende des Jahrhunderts, 1797 in Neresheim, war laut Bossert „die Geburtsstunde einer europäischen Orgel“, weil das dortige Instrument „alle europäischen Klangstile in sich vereinte“.

Solche Themen behandeln die Videos, wenn sie die einzelnen Orgeln in Bezug auf die Kompositionen vor und nach ihrer Bauzeit untersuchen: „Wie weit reicht das Spektrum einer Orgel zurück in die Vergangenheit? Inwieweit beschreibt sie den Status der Gegenwart? Wie weit reichen ihre Möglichkeiten in die Zukunft?“ Aber es geht auch praktischer. Die Organisten sollen in ihren Lehrfilmen demonstrieren, „ob der Apparat starr bleibt“, erläutert Bossert, „oder ob ich mit meinem Anschlag etwas lebendig gestalten kann“. Er und seine Kollegen wollen zeigen, worauf es beim Spielen des jeweiligen Instruments ankommt, „und wie ich das eindrucksvoll nutzen kann“.

Bei all seiner Leidenschaft für historische Diskussionen möchte Bossert auch kirchenmusikalische Laien erreichen und einige Videos drehen, die nicht nur Akademikern zugänglich sind. Zwei bis drei Web-Filme pro Monat sollen ab August produziert werden.

Von Joachim Fildhaut (epd)