Auch wenn er mit dem Tagesgeschäft seiner Kirche schon fast zwei Jahrzehnte nichts mehr zu tun hat, steht Kock wie eh und je für eine gesellschaftlich und politisch wache und engagierte Kirche und äußert sich immer wieder öffentlich zu aktuellen Fragen. Sein Auftreten kennzeichnet noch im hohen Alter, was schon in den kirchlichen Spitzenämtern seine Stärke war: Er bezieht klar Stellung und wirkt zugleich gelassen, bedächtig und ausgleichend. So agierte er als Moderator und Brückenbauer – sowohl zwischen den Interessen und Strömungen in der EKD als auch in der Ökumene und im Dialog zwischen den Kulturen und Religionen.
Die Themen von Kocks Amtszeit sind noch immer aktuell: Ökumene, Christen und Juden, Krieg und Ungerechtigkeit, Bioethik und Sterbehilfe, Migration, Wandel des Sozialstaats, Bewahrung der Schöpfung. Die künftige Bundesregierung müsse den Klimaschutz voranbringen und für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen, sagt der frühere Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Entscheidend für die Zukunft der Welt sei auch ein friedliches Zusammenleben, fügt er mit Blick auf die Entwicklung in Afghanistan nachdenklich hinzu: „Nach den jüngsten Ereignissen wird man sicher noch etwas skeptischer auf Militäreinsätze in Konfliktregionen schauen müssen.“
Die Zukunft der Kirchen in Deutschland kann nach Ansicht Kocks nur eine gemeinsame sein. Die Welt brauche nach wie vor dringend die christliche Botschaft, betont er und fordert, die Kirchen dürften nicht nur die eigenen Mitglieder im Blick haben. Ökumene-Fortschritte erhofft er sich vor allem von den katholischen Reformbewegungen, die das hierarchische Amtspriestertum infrage stellten.
Seinen Jugendwunsch, Menschen zu helfen, erfüllt sich Kock bis heute als Seelsorger – damals wollte er noch Arzt werden. Inzwischen tritt er zwar kürzer. Er predigt aber nach wie vor regelmäßig in seiner Kölner Ortsgemeinde und in einem katholischen Altenpflegeheim, gelegentlich hält er auch Vorträge.
Kock wurde am 14. September 1936 als ältestes von drei Kindern im münsterländischen Burgsteinfurt geboren. Er studierte Theologie in Bethel, Münster und Tübingen, seine erste Pfarrstelle trat er 1962 in einer Bergarbeitergemeinde in Recklinghausen an. Er wechselte 1970 als Jugendpfarrer nach Köln, wo er sechs Jahre später Gemeindepfarrer wurde und 1988 an die Spitze des Stadtkirchenverbands rückte.
Als er bereits den Ruhestand im Blick hatte, wurde Kock unverhofft in zwei Führungsämter gewählt, die ihm alles abverlangten. Diese Karriere „war nicht Bestandteil meines Lebensentwurfs“, sagt er im Rückblick. Als 1996 der damalige rheinische Präses Peter Beier plötzlich starb, wurde Kock zunächst zu dessen Nachfolger bestimmt.
Knapp ein Jahr später machte der vermeintliche Übergangskandidat an der Spitze der zweitgrößten Landeskirche dann überraschend auch das Rennen bei der Wahl zum EKD-Ratsvorsitzenden, als er sich gegen Wolfgang Huber durchsetzte. Im Jahr 2003 trat er zunächst als rheinischer Präses und dann als höchster Repräsentant der deutschen Protestanten aus dem Rampenlicht.
Seit den Corona-Lockerungen geht der Klassik-Liebhaber Kock mit seiner Frau Gisela wieder in die Oper und in Konzerte, kommendes Jahr hat das Paar diamantene Hochzeit. Für seine sechs erwachsenen Enkel hat er seine Kindheitserlebnisse aufgeschrieben. Ein schwerer Verlust war der Tod seines jüngsten Sohnes 2016, seine beiden anderen Kinder leben in Köln. Ein besonderes Geschenk erwartet Kock rund um seinen 85. Geburtstag: Er wird in diesen Tagen zum ersten Mal Urgroßvater.