Prälat Dutzmann blickt in seiner Predigt beim politischen Buß- und Bettag im Berliner Dom kritisch auf den Afghanistan-Einsatz zurück
„Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht.“ Unter diesem Wort des Apostels Paulus (Römer 7,18b) hat der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, Prälat Martin Dutzmann, in seiner Predigt zum heutigen Buß- und Bettag im Berliner Dom kritisch auf den kürzlich beendeten Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zurückgeblickt.
„Gutes haben sie gewollt, die Abgeordneten des Bundestages“, so Dutzmann beim „Politischen Buß- und Bettag“, an dem traditionell auch zahlreiche Parlamentarier teilnehmen. 20 Jahre sei der damalige Beschluss, sich mit der Bundeswehr am Kampf gegen den Terror zu beteiligen, nun her. „Inzwischen ist das Land wieder in der Hand der radikalislamischen Taliban.“
Auch die Angehörigen der Bundeswehr und die vielen zivilen Helferinnen und Helfer hätten Gutes gewollt“, so Prälat Dutzmann. „Allerdings war insbesondere vielen Soldatinnen und Soldaten im Unterschied zum Apostel Paulus nicht immer hinreichend klar, worin genau das Gute bestand.“
Selbstverständlich sei in Afghanistan auch Gutes geschehen: „Eine ganze Generation von Afghanen und vor allem Afghaninnen hat die Freiheit geschmeckt und Bildung genossen.“ Insofern stimme die pauschale Behauptung „Nichts ist gut in Afghanistan!“ selbst heute nicht. „Aber ob das reicht?“
Deshalb sei auch die Frage nach der Verantwortung für getroffene Entscheidungen und ergriffene Maßnahmen zu stellen: „Der Einsatz in Afghanistan hat viele Menschen das Leben oder die Gesundheit gekostet – und darüber hinaus sehr viel Geld. Der Bundestag wird mit Hilfe von Fachleuten untersuchen müssen, warum es trotzdem nicht gelungen ist, Afghanistan und seinen Menschen Frieden zu bringen“, sagte der Bevollmächtigte.
Der Buß- und Bettag eröffne hier eine befreiende Perspektive: „Mein Sohn, meine Tochter, deine Sünden sind dir vergeben, das bekommen wir in jedem Gottesdienst gesagt und das wird uns heute am Buß- und Bettag in besonderer Weise zugesprochen. Jenen, die Entscheidungen für Afghanistan trafen und jenen, die sich im Land für seine Bewohnerinnen und Bewohner engagierten. Aber auch allen anderen, die Gutes vollbringen wollten und damit gescheitert sind.“ Das sei die gute Nachricht dieses Buß- und Bettages, so Dutzmann in seiner Predigt im Berliner Dom. „Damit sind wir frei, uns umzuwenden und das Dunkel ohne Angst und Schuldgefühle zu betrachten: Warum konnten wir das Gute, das wir wollten, nicht vollbringen?“
In dem Gottesdienst kamen auch Menschen zu Wort, die in und für Afghanistan als Soldat:in, Militärseelsorger:in oder zivile Helfer:in engagiert waren. Außerdem sprachen der frühere Wehrbeauftragte des Bundestages Reinhold Robbe sowie eine afghanische Ortskraft, die als Übersetzer für die Bundeswehr tätig war.
Der protestantische Buß- und Bettag, erstmals 1532 im mittelalterlichen Straßburg offiziell eingeführt, wurde 1995 zur Finanzierung der Pflegeversicherung in allen Bundesländern außer Sachsen als arbeitsfreier gesetzlicher Feiertag ersatzlos gestrichen. Der Bußtag hat seinen festen Platz im kirchlichen Festkalender jedoch nicht verloren und ist im Leben vieler Menschen nach wie vor fest verwurzelt.
Der Gottesdienst aus dem Berliner Dom ist am heutigen Mittwoch, 17. November 2021, ab 18 Uhr im Livestream auf www.berlinerdom.de/live zu sehen.
Weitere Informationen zum Buß- und Bettag unter www.ekd.de/busstag.
Hannover, 17. November 2021
Pressestelle der EKD
Carsten Splitt