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Vom höchsten Kirchturm ins höchste Kirchenamt – EKD


Nun geht es also vom Ulmer Münster mit seinem höchsten Kirchturm der Welt nach Stuttgart zum Oberkirchenrat. Wie Kirchenleitung funktioniert, weiß Gohl aus verschiedenen Bezügen. Seit 15 Jahren arbeitet er in der Landessynode mit, die über kirchliche Gesetze und die Verwendung der Kirchensteuermittel in Württemberg entscheidet. Als Dekan steht er in engem Kontakt mit den Ortsgemeinden und kennt deren unterschiedliche Situationen recht genau. Nur mit diesem Wissen könne die Kirchenleitung die Gemeinden für Veränderungsprozesse gewinnen, hatte er kurz vor der Wahl geäußert.

Der künftige Bischof stammt aus einem evangelischen Pfarrhaus. Er ließ sich im Zivildienst zum Rettungsassistenten ausbilden, bevor er zum Theologiestudium nach Tübingen, Bern und Rom ging. Pfarrstellen hatte er in Böblingen und Plochingen inne, bevor er 2006 Dekan in Ulm wurde.

Gohl ist mit einer Apothekerin verheiratet und Vater von zwei inzwischen erwachsenen Kindern. Zu den härtesten Lebenserfahrungen des künftigen Bischofs gehört der Tod eines Sohns, der im Alter von dreieinhalb Jahren verunglückte.

Als Leiter des evangelischen Kirchenbezirks in Ulm geriet der künftige Bischof immer wieder in die Schlagzeilen. So erhielt er Drohungen und Hassmails, weil er eine Corona-Impfaktion im Ulmer Münster initiiert hatte. Seine Unterstützung der Entscheidung, die Ulmer Weihnachtskrippe nicht mehr öffentlich auszustellen, weil die Figur des schwarzen Königs rassistisch dargestellt sei, sorgte für aufgeregte Debatten.

Vor der Wahl hatte Gohl geäußert, er halte es im Fall seiner Wahl zum Bischof für eine vordringliche Aufgabe, gerade distanzierte Kirchenmitglieder zu überzeugen, warum es wichtig und gut sei, der Kirche anzugehören. Gesellschaftliche Veränderungen – etwa der demografische Wandel und der Dialog der Religionen – müssten nicht bedrohlich sein. „Eine Kirche in der Tradition der Reformation geht solche Veränderungsprozesse zuversichtlich an“, sagte er. Die Zusammenarbeit mit der Evangelischen Landeskirche in Baden sollte seiner Ansicht nach „beherzt“ ausgebaut werden, wo es dem kirchlichen Auftrag dienlich sei.

Bei seiner Vorstellung vor dem Kirchenparlament bezeichnete sich Gohl als Mensch mit Humor, aber auch mit einer Ernsthaftigkeit in theologischen Fragen und in der Grundausrichtung seines Lebens. Er nannte als positives Beispiel dafür, wie die Landeskirche trotz ihrer unterschiedlichen Meinungen und Lager zueinander gefunden habe, den Umgang mit der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare.

Bis zum Wahlsieg war es allerdings ein holpriger Weg. Von den drei Kandidaten – neben Gohl der Chef des Diakoniewerks „Zieglersche“, Gottfried Heinzmann, und die Studieninspektorin am Evangelischen Stift Tübingen, Viola Schrenk – schaffte es in vier Wahlgängen keiner, die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit hinter sich zu bringen. Die Wahl musste unterbrochen werden, danach setzte der Nominierungsausschuss als einzigen Kandidaten Gohl als Mann der Mitte auf die Liste. Dass nun ausgerechnet der Kandidat Bischof wurde, der nach zwei Wahlgängen wegen niedriger Stimmenzahl zurückzog, hinterlässt insbesondere bei den Unterstützern des zunächst erfolgreicheren Gottfried Heinzmann Wunden.

Gohl ist in der Vergangenheit der Spagat gelungen, einerseits mit einem klaren Profil als Theologe und Seelsorger aufzutreten, andererseits einend zu wirken und Christen mit konträren Auffassungen zusammenzuhalten. Diese Fähigkeit wird er als Bischof noch mehr brauchen – gerade in Württemberg, in dem die Flügel zwischen theologisch konservativ und liberal-progressiv teilweise sehr weit auseinanderliegen.