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In weihnachtlicher Not hilft der Griff zum Telefon – EKD


„Weihnachten ist ein Sehnsuchtsfest“, sagt Glöckner, und Einsamkeit ein großes Thema. Die Sehnsucht nach Familie sei an den Festtagen besonders groß, weshalb die Enttäuschung umso ausgeprägter sei, wenn es keine Familie gebe oder diese nichts von sich hören lasse. Zwar sei Einsamkeit über das gesamte Jahr hinweg Thema in Gesprächen, aber an Weihnachten, da trete es eben „nochmal verschärft“ auf. „Überall sind die Lichter an, doch bei mir nicht“, beschreibt die Pastorin die Gedanken einsamer Menschen.

„Durch so ein symbolisches Fest kommt vieles ins Bewusstsein und kann plötzlich benannt werden“, sagt Glöckner. Das gelte auch für das Thema Beziehungskonflikte. Alles in allem also „keine neuen Themen zu Weihnachten“, sondern „die alten in Neuauflage, mit etwas mehr Druck drin.“ Glöckner weiß, wie sie helfen kann: „Lassen Sie uns reden“, animiert sie Anrufende dazu, ihr Herz zu öffnen. Denn: „Sprechen hilft.“ Die Pastorin und ihr Team stünden für „ein Näheangebot“. Zwar „nur für einen Moment“, aber die Anrufenden bekämen eines mit auf den Weg: „Wir sagen immer, wenn es noch mal kracht, dann rufen Sie wieder an!“

Kommt es an Weihnachten in Familien zum Streit, dann fühlt sich Babette Glöckner manchmal „mittendrin im Geschehen“. Das sei dann der Fall, wenn ein Mensch nicht wie sonst üblich aus einem „geschützten Raum“ heraus anruft, wo er oder sie allein ist, sondern wenn der Anruf direkt vom Ort des Streits aus erfolgt. Dann komme es vor, dass Glöckner durchs Telefon plötzlich weitere Beteiligte hört.

Ein Themenbereich, der dieses Jahr auch an Weihnachten eine besondere Rolle spielen dürfte, betrifft den Geldbeutel der Menschen. Stark steigende Energie- und Lebensmittelkosten machen vielen zu schaffen. „Das ist schon voll hier in der Telefonseelsorge angekommen“, sagt Glöckner. Dabei spiele Scham eine Rolle, beispielsweise dann, wenn Menschen ihren Kindern keine Weihnachtsgeschenke kaufen könnten. „Es kracht im Moment an vielen Ecken“, fasst Glöckner die wirtschaftliche Lage der Menschen zusammen.

Dass die Telefonseelsorge-Leiterin insbesondere an den Festtagen gern Dienste übernimmt, hat mehrere Gründe. Der erste lautet: „Da sollen die Ehrenamtlichen Weihnachten haben.“ Der zweite ist: „Ich find’s wunderschön, mir würde sonst was fehlen.“ Denn an Weihnachten spreche sie mit Menschen, „die an diesen Tagen besonders berührbar sind“, wodurch es zu „Sternstunden der Begegnung“ komme. An diesen Tagen sei sie besonders dicht an den Menschen dran, „das ist eine Sinnerfahrung. Sehr sinnlich und sinnstiftend.“

Damit Babette Glöckners Kopf nach Ende einer vierstündigen Telefonschicht wieder frei wird, tut sie sich im Anschluss stets etwas Gutes. An Weihnachtstagen könne das so aussehen: „Ich organisiere mir ein superschönes Essen, das koche ich auch gern selbst.“ Außerdem werde sie sich „mit Sicherheit mit einem oder mehreren Menschen zum Spielen treffen.“ Lediglich richtig schwere Fälle ließen sich mit Spielen nicht aus dem Kopf bekommen. „Da brauche ich dann manchmal Supervision.“

Ein Jahr noch, dann wird Babette Glöckner 65 Jahre alt. Auch wenn manches Gespräch inhaltlich noch so schwer sein mag, eines kann sie sich kaum vorstellen: nicht mehr am Telefon zu sitzen. Insofern ist es gut, dass es keine Altersausstiegsgrenze für den Dienst am Seelsorge-Telefonhörer gibt. Sollte sie also irgendwann nicht mehr die Leitung der Telefonseelsorge innehaben, am Telefon kann sie weiterhin ihren Dienst tun – auch an Weihnachten.