Nach mittelalterlichem Volksglauben wehrte der Hahn böse Dämonen ab – schließlich schien er als Verkünder des Sonnenaufgangs die Geister der Nacht in die Flucht zu schlagen. Und er sollte die Dächer vor Hagel und Blitzschlag schützen. Dahinter steckte die spätmittelalterliche „Sympathielehre“, nach der Gleiches mit Gleichem bekämpft wurde: Der Hahn mit seinem Feuerkamm sollte die Häuser und Kirchen vor Feuer bewahren.
Je nach Region und Tradition sind auch Kreuze auf Kirchturmspitzen zu finden – oder Schwäne wie in Nordwestdeutschland. Der böhmische Reformator Jan Hus soll 1415 auf dem Weg zum Scheiterhaufen gesagt haben: „Heut in des argen Feuers Glut, ein arme Gans ihr braten tut, nach hundert Jahren kommt ein Schwan, den sollt ihr ungebraten lan (erleiden).“ Gut 100 Jahre später bezog Reformator Martin Luther die Prophezeiung auf sich und wurde auf Bildern fortan immer wieder von einem „Luther-Schwan“ begleitet.
Die Kulturgeschichte des Hahns aber reicht viel weiter zurück: Im Altertum galt er als „persischer Vogel“. Die Perser hatten das domestizierte Huhn von der Indus-Kultur übernommen. Der Hahn war ihrem Gott Mitra heilig. Als Zarathustra um 1000 vor Christus seine dualistische Religion einführte, stufte er die alten Götter zu Dämonen herab. Aber der Hahn blieb: Er begleitete nun den neuen Lichtgott Ahura Mazda.
Auch Mitra überlebte, in Gestalt des in Kleinasien hellenisierten Mithras – mit einer roten Mütze, die einem Hahnenkamm glich. Mithras wurde zu einem Sonnengott, dem neben dem Raben der Hahn heilig blieb. Im römischen Reich entwickelte er sich zum wichtigsten Rivalen des Christengottes. Aber im vierten Jahrhundert erhob der römische Kaiser das Christentum zur Staatsreligion, 392 wurden alle heidnischen Kulte untersagte. Der Hahn überlebte, als Allegorie der Sonne.
Auf vielen antiken Darstellungen sind Hähne auch als Kämpfer zu sehen – Hahnenkämpfe waren lange populär. Alektor, der Wehrhafte, so nannten ihn die alten Griechen.
Auf zwei Mosaiken in der spätantiken christlichen Basilika von Aquileia im italienischen Friaul begegnet ein offensiver Hahn einer behäbigen Schildkröte – vermutlich ein Symbol für Ketzer. Kirchenhistoriker Stefan Metz von der Universität Tübingen sieht hier einen Bedeutungswandel: „Es handelt sich dabei um eine Variation des Rufs zur Umkehr, der aus den Evangelien bekannt ist“, resümiert Metz. Der Hahn hatte ja auch Petrus an die Worte Jesu erinnert und zur Umkehr aufgerufen. Heute drehen sich die Hähne hoch oben auf Dächern zumeist nur noch als Windfahne, und keiner kräht mehr nach ihnen.