Ihre erste Ehe mit dem Maler Dietrich Sölle, in der drei Kinder geboren werden, dauert nur zehn Jahre. Bis Ende der 60er Jahre arbeitet sie als Gymnasiallehrerin, freie Journalistin, Universitätsassistentin, Studienrätin. 1965 erscheint ihr Buch „Stellvertretung“. Besonders ihr Nachdenken über eine „Theologie nach dem Tode Gottes“ war umstritten. Seit den 60er Jahren engagiert sie sich vor allem auf evangelischen Kirchentagen für die Politischen Nachtgebete rund um die Themen Frieden, Frauen, Ökologie sowie die Kluft zwischen Reich und Arm.
Zeitlebens hatte sie eine Abneigung gegen die – vor allem von Männern geprägte – Kreuzestheologie. Sölle und andere feministische Theologinnen sehen im Kruzifix ein Symbol für männliche Brutalität und Todesverherrlichung. „Gott wird in die Schuhe geschoben, auf Blut zu stehen“, erklärte Sölle. Es ist aber nicht Gott, der dafür sorgt, dass gefoltert wird, wie Sölle betont. Das Kreuz symbolisiere vielmehr das Leiden der Schwachen und Ärmsten.
Bei einem heftig umstrittenen ökumenischen Abendmahl am Rande des 94. Deutschen Katholikentags im Jahr 2000 in Hamburg erklärte sie in ihrer Predigt, die Kirchentrennungen des 16. Jahrhunderts dürften heute nicht mehr gelten. 1969 heiratet sie Fulbert Steffensky, aus dieser Beziehung geht eine Tochter hervor. Steffensky lebte 13 Jahre als Benediktinermönch im Kloster Maria Laach, bevor er zum Protestantismus konvertierte. Er gehört heute zu den profiliertesten religiösen Autoren im deutschsprachigen Raum.
Dorothee Sölle war ihrer eigenen Kirche gegenüber stets überaus kritisch, lebte aber – so berichten Zeitzeugen – eine sehr innerliche protestantische Frömmigkeit. Ein ordentlicher Lehrstuhl wurde der weltbekannten, hochbegabten und habilitierten Frau zeitlebens verweigert. Sie erhielt lediglich einen Lehrauftrag in Mainz und eine Gastprofessur in Kassel, 1994 dann eine Ehrenprofessur an der Universität Hamburg. Ansonsten lehrte sie Systematische Theologie in den USA.
In ihren letzten Lebensjahren widmet sich Sölle verstärkt dem Thema Mystik: „Die Religion des dritten Jahrtausends wird mystisch sein oder absterben“, heißt es in einem ihrer Bücher. Am 27. April 2003 erliegt Dorothee Sölle in Göppingen im Alter von 73 Jahren völlig unerwartet den Folgen eines Herzanfalls. Am Vortag hatte sie noch einen Vortrag gehalten.
Von Stephan Cezanne (epd)