Rat der EKD nimmt Stellung zu einer möglichen Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs
Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat sich zur Debatte um eine mögliche gesetzliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs geäußert. „Das Lebens-Verhältnis zwischen schwangerer Frau und dem Embryo ist einzigartig. Beide sind untrennbar miteinander verbunden“, so die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus. „Zugleich ist die Schwangere in ihrem Leben eingebunden in soziale und gesellschaftliche Bezüge. Das Menschenrecht auf Selbstbestimmung gilt für sie wie für jeden anderen Menschen weltweit.“ Dem Rat der EKD gehe es „um den größtmöglichen effektiven Schutz des Lebens nicht gegen die Rechte der Frau, sondern durch deren Stärkung. Mit unserer Stellungnahme möchten wir einen ersten Impuls geben für eine sachliche Debatte zu einer Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs“, so die Ratsvorsitzende.
In einem heute veröffentlichten Positionspapier tritt der Rat dafür ein, „Regulierungen des Schwangerschaftsabbruchs für bestimmte Konstellationen auch außerhalb des Strafrechts zu formulieren“. Die geltenden Regelungen übertragen die Verantwortung für den Schutz des ungeborenen Lebens primär an die Frau. Demgegenüber betont der Rat die Verantwortung, die Staat und Gesellschaft in diesem Zusammenhang übernehmen müssten. Zu berücksichtigen seien die „gesellschaftliche Entwicklung, die die Perspektive der schwangeren Person und ihre reproduktiven Rechte stärker in den Blick“ nehme und „auch im internationalen Recht Ausdruck“ gefunden habe. So sehr der „Schutzstatus des werdenden Lebens bereits ab dem Zeitpunkt der Empfängnis“ beginne, erscheine es fragwürdig, „ihm zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft mit Mitteln des Strafrechts Geltung zu verschaffen“. Nicht vertretbar wiederum sei die vollständige Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. „Unabhängig davon, welchem Rechtsgebiet die Regelungen zugeordnet sind, ist es wichtig, Lebensrecht und Menschenwürde von schwangerer Frau und ungeborenem Leben auf eine beiden angemessene Weise in Beziehung zueinander zu setzen“, heißt es in dem Papier, das unter Mitwirkung einer interdisziplinären Gruppe evangelischer Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis entstanden ist: Die Schwangerschaft erfordere Regelungen, „die sich nicht rein analog zu Ansprüchen zweier grundsätzlich selbstständiger Individuen gegeneinander bemessen lassen. Dabei ist von einer kontinuierlichen Zunahme des Lebensrechts des Ungeborenen und der Schutzpflicht ihm gegenüber im Verlauf der Schwangerschaft auszugehen.“ Eine Kernfrage liege darin, ob und wie sich diese Zunahme in Fristen niederschlagen kann, die mit unterschiedlichen Anforderungen und Sanktionen verbunden sind. Dabei seien natur- ebenso wie sozialwissenschaftliche Aspekte zu Rate zu ziehen. „Schließlich erachten wir gerade auch bei einer (teilweisen) Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen die Sicherstellung eines wirksamen Beratungsangebots für Betroffene für zwingend und unverzichtbar“, so der Rat der EKD, der sich ausdrücklich für eine „verpflichtende Beratung“ ausspricht. „Wichtig ist uns als evangelische Kirche, dass der für das gesamte Thema notwendige Diskurs sachorientiert, in hoher Achtung vor der Schutzbedürftigkeit des ungeborenen Lebens und den Persönlichkeitsrechten der Schwangeren sowie in Respekt vor anderen Meinungen und Überzeugungen geführt wird. Dazu will der Rat der EKD mit diesem ersten Impuls und in den weiteren Phasen des öffentlichen Diskurses beitragen.“
Die Stellungnahme des Rates der EKD ist abrufbar unter Stellungnahmen – EKD
Hannover, 11. Oktober 2023
Pressestelle der EKD
Carsten Splitt