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Grußwort für die Deutsche Bischofskonferenz – EKD


Es gilt das gesprochen Wort

Herzlich grüße ich Sie auch im Namen meiner Mitbrüder in der Deutschen Bischofskonferenz. Es ist mir eine große Freude und Ehre, dass es in diesem Jahr mir als neu gewähltem stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz zukommt, als Gast an Ihrer Synode teilzunehmen und das Grußwort der Deutschen Bischofskonferenz zu überbringen.

Es hat mich sehr bewegt, dass mein erster Auftrag in dieser neuen Aufgabe ein ökumenischer Auftrag war. Denn es war der gemeinsame Auftritt mit Ihnen, Frau Präses Kurschus, bei der eindrücklichen Kundgebung vor dem Brandenburger Tor am 22. Oktober 2023 anlässlich des brutalen Überfalls der Hamas auf Israel und der unsäglichen Geiselnahme.

Angesichts mancher relativierenden Äußerungen betone ich: Nichts kann diesen Terrorakt rechtfertigen. Es erschreckt mich, dass in Deutschland und anderen Ländern die Zahl antisemitischer Übergriffe in den vergangenen Wochen zugenommen hat und viele Juden Angst haben, ihre Kinder zur Schule zu schicken oder in der Öffentlichkeit als Juden sichtbar zu sein. Ausdrücklich bekräftige ich an dieser Stelle, dass die Deutsche Bischofskonferenz im Wissen darum, dass der Antisemitismus auch in einer Schuldgeschichte des Christentums wurzelt, an der Seite der Juden steht und im Einsatz gegen Antisemitismus nicht nachlassen wird. Natürlich erschüttern mich auch der Krieg in Gaza und das Leid der Zivilbevölkerung, die von der Hamas als Geisel
genommen wird. Israel hat das Recht auf Selbstverteidigung. Dieses Recht schließt die Pflicht ein, das Mögliche zum Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung zu tun. Auch ihre Rechte müssen beachtet werden.

Aufgrund der globalen Lage und der sich daraus ergebenden Spannungen sind wir als christliche Konfessionen aktuell und wohl auch künftig gemeinsam sehr herausgefordert. Möge das auf dramatischem Hintergrund gegebene gemeinsame  ökumenische Zeugnis von Berlin ein Impuls dafür sein, dass wir uns auch in Zukunft in vergleichbaren Situationen gemeinsam zu Wort melden und in Abstimmung miteinander handeln, im Einsatz für Geflüchtete, für Versehrte an Leib und Seele und für alle, die in ihrer Würde bedroht und verletzt sind.

Als katholische und evangelische Kirche sind wir weltweit vernetzt und haben sowohl durch unsere Hilfswerke als auch durch Kontakte zu Gemeinden vor Ort eigene Möglichkeiten, uns zu informieren. Zugleich ermöglichen wir durch Partnerschaften und Patenschaften, durch Freiwilligendienste und weitere Begegnungen Menschen in unseren Kirchen, Verbindungen und Freundschaften über die Grenzen von Nationen und Kulturen hinaus aufzubauen. Unsere Gesellschaft braucht solche Menschen mit einem weiten Herzen, mit konkreten, persönlichen Erfahrungen. Hier haben wir als Kirchen im Sinne von konkret geleisteter Solidarität und von Herzensbildung etwas Entscheidendes beizutragen. Gerade an dieser Sorge für Frieden und soziale Gerechtigkeit werden Menschen messen, ob sie kirchliche Verkündigung und kirchliches Handeln als relevant und inspirierend erfahren.

Entscheidend dafür ist auch unser Einsatz gegen den Klimawandel. Unsere Partnergemeinden insbesondere in der Subsahara, im Kongobecken oder in Amazonien spiegeln uns sehr deutlich, wie die Themenfelder Klimawandel, soziale Gerechtigkeit und Migration miteinander verwoben sind. Unsere Gesellschaft ist auf dem Hintergrund dieser Verwobenheit mit sehr komplexen Fragestellungen konfrontiert. Die Versuchung liegt nahe, einfache Antworten zu suchen. Durch unsere weltweiten Partnerschaften haben wir die Möglichkeit, Folgen dieser Verwobenheit anschaulich darzustellen und damit Menschen die komplexen Herausforderungen verständlicher zu machen. Auf diesem Hintergrund gilt: Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gehören aufs Engste zusammen, wie gerade Papst Franziskus immer wieder betont und nicht zuletzt in seiner Sozialenzyklika Laudato si’ und jüngst in seinem Apostolischen Schreiben Laudate Deum eingeschärft hat. In der Resonanz, die beide Schreiben gerade in säkularen Expertenkreisen auslösen, erfahren wir deutlich, dass kirchliche Stellungnahmen durchaus eine den Diskurs prägende Wirkung entfalten können.

In manchen Fragen, etwa im Bereich des Lebensschutzes, werden wir auch weiterhin um gemeinsame Positionen ringen müssen. Das haben aktuelle Entwicklungen im Zusammenhang mit einer Neuregelung von § 218 StGB erneut deutlich gemacht. In verschiedenen Stellungnahmen hat die Deutsche Bischofskonferenz auch in jüngster Zeit die Unverfügbarkeit und damit den Schutz des menschlichen Lebens von der Zeugung bis zum Tod bekräftigt. Als Kirchen sind wir gemeinsam gefordert, Menschen in Krisensituationen zu begleiten und zu stärken. Aus meinem persönlichen Erfahrungsfeld möchte ich hier auf das Engagement des Vereins „Kleine Riesen“ in Nordhessen verweisen. Evangelische und katholische Christen 
unterschiedlicher Profession unterstützen dabei Eltern in der Sorge um schwerstkranke und sterbende Kinder. Wo wir Menschen durch unser Tun konkrete Perspektiven aufzeigen, hilft es ihnen, „JA“ zu sagen zum Leben. Wenngleich es im Blick auf die gesetzlichen Regelungen auch innerhalb der Kirchen unterschiedliche Positionen gibt, sind in unserer Gesellschaft das gemeinsame Zeugnis und der gemeinsame Einsatz für die besonders vulnerablen Menschen von großer Bedeutung. Dies gilt gerade auch für das große Themenfeld Migration und Asyl. In diesem Sinne wollen wir den ökumenischen Weg fortsetzen und unsere Verantwortung für eine Gestaltung des Lebens aus dem christlichen Glauben gemeinsam wahrnehmen. Bleiben wir auch angesichts mancher Differenzen im Gespräch, ringen wir miteinander um Positionen im Wissen darum, dass uns mehr verbindet als trennt.

Verehrte Synodale! Während synodale Prozesse der Meinungsbildung und Entscheidung in der Evangelischen Kirche in Deutschland eingeübt und über viele Jahre bewährt sind, hat in der katholischen Kirche Synodalität mit Papst Franziskus ein neues Gewicht und eine neue Dynamik bekommen. Konkret wurde dies mit der Ausrufung eines universalkirchlichen synodalen Prozesses unter dem Thema „Für eine synodale Kirche. Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“. Er begann vor zwei Jahren mit einer großen Umfrage an das Volk Gottes. Deren Ergebnisse wurden in einem Arbeitsdokument unter dem programmatischen Wort aus dem Buch Jesaja „Mach den Raum deines Zeltes weit“ (Jes 54,2) zusammengefasst und in einer kontinentalen Phase der Synode weiter beraten. Im Oktober folgte in Rom die vierwöchige erste Sitzung der Bischofssynode über Synodalität. Sie wurde eingeleitet mit einem von Papst Franziskus explizit gewünschten ökumenischen Akzent, dem von der Gemeinschaft von Taizé gestalteten Gebet auf dem Petersplatz. Es war für mich persönlich eine sehr beeindruckende Erfahrung, zusammen mit Jugendlichen aus unserem Bistum an dieser Vigil und den begleitenden Veranstaltungen teilzunehmen.

An der Synodensitzung haben erstmals auch nichtbischöfliche Vertreter, darunter Laien und Laiinnen, als stimmberechtigte Mitglieder teilgenommen. Die Bilder von runden Tischen mit Synodalen aus allen Teilen der Welt, Frauen und Männern, werden als prägendes Merkmal dieser Bischofssynode in Erinnerung bleiben. Eine Besonderheit war auch die Methode des „Gesprächs im Heiligen Geist“, die ein intensives Zuhören förderte und einlud nachzuspüren, wo in dem Gehörten der Heilige Geist der Kirche des 21. Jahrhunderts Wegweisung geben möchte.

Viele Themen, die uns seit Jahrzehnten im ökumenischen Diskurs beschäftigen, wurden in der Synode aufgegriffen, etwa die Frage nach der eucharistischen Gastfreundschaft. Zudem fordert das Abschlussdokument der ersten Session der Synode, „Christen anderer Konfessionen weiterhin in die Prozesse der katholischen Synode auf allen Ebenen einzubeziehen und mehr geschwisterliche Delegierte zur nächsten Tagung der Vollversammlung im Jahr 2024 einzuladen“ (Nr. 7m Synthese-Bericht der Weltsynode).

Auch in Deutschland geht der Synodale Weg weiter. Er ist mit der gestern und vorgestern konstituierenden Sitzung des Synodalen Ausschusses in eine neue Phase eingetreten. Dieses Gremium, dem die Diözesanbischöfe sowie vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken und von der letzten Synodalversammlung gewählte Mitglieder angehören, hat die Aufgabe, für die weitere theologische und ekklesiologische Durchdringung von Synodalität, die strukturelle Vorbereitung eines künftigen Synodalen Rates sowie die Weiterentwicklung der auf dem Synodalen Weg begonnenen Initiativen Sorge zu tragen. In Essen sind wir in einer guten Atmosphäre des Miteinanders gestartet. In sehr konstruktiver Weise haben wir miteinander gerungen und konnten Geschäftsordnung und Satzung einstimmig beschließen. Ich bin überzeugt, ein synodales Geschehen braucht bei den Beteiligten verschiedene Anwartschaften und Perspektiven, denn nur so kann die Wirklichkeit, in die Gott uns stellt, angemessen in den Blick genommen werden. Bei allem Ringen haben wir sehr deutlich in einem Klima des Wohlwollens gespürt, dass das, was uns verbindet – das Fundament unseres Glaubens und der gemeinsame Auftrag – größer ist als alles, was uns unterscheidet. Das stimmt mich sehr hoffnungsvoll für den weiteren Prozess.

Ich bin davon überzeugt, dass die synodalen Prozesse in Deutschland und weltweit zu einer synodaleren und zukunftsfähigeren Gestalt der Kirche führen. Sie stehen im Dienst der Sendung der Kirche, Jesus Christus und seine befreiende Botschaft zu verkünden. Markant formuliert das Abschlussdokument der zurückliegenden Bischofssynode in diesem Zusammenhang:„Anstatt zu sagen, dass die Kirche eine Sendung hat, sollten wir bekräftigen, dass die Kirche Sendung ist“ (Nr. 8a). Diesen Sendungsauftrag als Christen gemeinsam wahrzunehmen, hat einen Mehrwert, den das Abschlussdokument wie folgt zum Ausdruck bringt: „Die Zusammenarbeit aller Christen ist auch ein grundlegendes Element, um sich den pastoralen Herausforderungen unserer Zeit zu stellen: In säkularisierten Gesellschaften ermöglicht sie es, der Stimme des Evangeliums mehr Nachdruck zu verleihen, in Kontexten der Armut bringt sie die Menschen dazu, sich gemeinsam in den Dienst der Gerechtigkeit, des Friedens und der Würde der Geringsten zu stellen“ (Nr. 7e).

In Deutschland haben wir eine gute Kultur des Miteinanders entwickelt, für die wir dankbar sein dürfen. Ich durfte dies gerade am vergangenen Dienstag erfahren. Wir standen in Kassel vor unserer katholischen Elisabethkirche, deren Dach gerade eingestürzt war. Die Kirche hat als Ort der Begegnung, Kirche und Kunst nicht nur während der Documenta eine wichtige Bedeutung. Ganz selbstverständlich haben uns unsere evangelischen Geschwister, Bischöfin Beate Hofmann und Dekanin Heinrich Gastfreundschaft angeboten. Diese darf ich schon am kommenden Freitag mit einer Vesper zum Elisabethfest in Anspruch nehmen – nun in der evangelischen Martinskirche. Neben aller notwendigen theologischen Reflexion wird es in Zukunft angesichts so vieler kirchlicher Kontingenzerfahrungen gerade auch diese Formen spontan und aus Überzeugung gelebter Ökumene brauchen.

Nehmen wir die vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit auch künftig gemeinsam an. Und begleiten wir einander weiterhin mit geschwisterlicher Aufmerksamkeit und mit unserem Gebet.