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Leuchtende Augen und Vorfreude auf Weihnachten – EKD


„Alle Feste können wir natürlich nicht feiern“, erklärt Leiterin Natalie Pilarek. Damit sich aber alle Kinder willkommen fühlten, würden jedes Jahr wechselnd zwei Feste der verschiedenen Religionen ausführlicher gewürdigt. Das komme nicht nur bei Kindern gut an, sondern auch bei den Eltern. Für viele sei es eine befreiende Erfahrung, dass ihre Religion und Kultur so anerkannt würden, sagt die Pädagogin.

Ein Highlight war in diesem Jahr der Besuch des Nikolaus am 6. Dezember, den manche Kinder das erste Mal erlebt haben. Eine lange Schlange bildet sich, als der Nikolaus die Kleinen segnet. „Ich möchte, dass er nächstes Jahr wiederkommt“, wünscht sich ein Mädchen und hält stolz ein mit Mandarine und Schokolade gefülltes Tütchen in der Hand.

Doch nicht nur Nikolaus und Weihnachten werden in der Kita gefeiert: In den Dezember fallen auch das achttägige jüdische Lichterfest Chanukka und Ida Ezi. Es ist das Fest der Jesiden zu Ehren Gottes als dem allmächtigen Schöpfer und ihr wichtigster religiöser Feiertag.

Der interreligiöse Aspekt sei auch ein Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden in der Stadt, sagt Kita-Geschäftsführerin Sabine Jost: „Wir brauchen solch ein Angebot, weil in manchen Pforzheimer Kitas 90 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund haben.“

Vor dem vegetarischen Mittagessen wird ein Gebet gesprochen. Welches das ist, darf eines der Kinder erwürfeln. Es nimmt einen hölzernen Gebetswürfel in die Hand, auf dem Gebete verschiedener Religionen stehen: ein Dank für die tägliche Nahrung aus Christentum, Judentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus.

Gelegentlich gibt es den Einwand, dass kleine Kinder die Unterschiede verschiedener Glaubensrichtungen nicht verstehen könnten und überfordert seien. Dies weist der evangelische Religionspädagoge Friedrich Schweitzer von der Universität Tübingen entschieden zurück. Seit der Eröffnung im März 2020 begleitet der Professor die Kita wissenschaftlich.

Schon die Kleinsten seien offen und neugierig gegenüber anderen Menschen, sagt er: „Heute ist es normal, dass Kinder verschiedener Religionen gemeinsam eine Kita besuchen.“ Deshalb sei es wichtig, die Unterschiede kindgerecht zu erklären. „Das Schöne ist, Kinder haben fast nie Vorurteile“, hat der Wissenschaftler festgestellt. So könne ein respektvolles und friedliches Miteinander nicht nur in der Kita, sondern auch später in „unserer multireligiösen Gesellschaft gelingen“.

Ein entscheidender Vorteil sei dabei das Team aus christlichen und muslimischen Fachkräften sowie einer jesidischen Erzieherin. Besonders wertvoll ist es nach Worten des Wissenschaftlers, dass auch die jüdische Gemeinde beteiligt sei. Gemeinsame Träger der Kita sind die evangelische und katholische Kirche, die Jüdische Gemeinde, das Bündnis unabhängiger Muslime im Enzkreis, das Ezidische Zentrum in Baden-Württemberg und die antiochenisch-orthodoxe Gemeinde.

Der Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, Rami Suliman, lobt den bundesweiten Vorbildcharakter der Kindertagesstätte. Dass derzeit noch keine jüdischen Kinder die Kita besuchten, liege nicht etwa am Konzept, sondern vielmehr daran, dass die jüdische Gemeinde Pforzheim sehr klein und weit verstreut sei, betont er.

Ob jüdischer Davidstern, christliches Kreuz, islamischer Halbmond oder jesidischer Pfau: Die Bilder an den Wänden greifen Symbole der Religionen auf. Auf den religionsverbindenden Aspekt weist schon der Name der Kindertagesstätte hin: Das Wort „Irenicus“ ist griechisch und bedeutet „friedlich“.

Eine bunte Friedenstaube ziert deshalb auch die gläserne Eingangstür. Und der Weihnachtsbaum ist mit gefalteten, bunten Papiertauben geschmückt. „Unser Wunsch ist es, dass alle Menschen gemeinsam in Frieden leben“, sagt Kita-Leiterin Pilarek.

Von Christine Süß-Demuth (epd)