Die Tatsache, dass in den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen der Gedanke der „Freiheit des Christenmenschen“ zentral sei, scheine ebenso wenig vor Machtmissbrauch zu schützen wie die weitgehende Gleichstellung von Frauen und Männern. Der Kirchenhistoriker, der eine Aufarbeitungsstudie für das Bistum Münster leitete, sprach von „Machtvergessenheit“. „Das vorherrschende Ideal der Geschwisterlichkeit, der Partizipation, der Demokratie verhindert, dass es klare Strukturen gibt, sowohl für die Aufarbeitung als auch für den Umgang mit Betroffenen, die versuchen, ihre Erfahrungen zu berichten“, sagte er. Zugleich seien die Synodalstrukturen eine große Chance des Protestantismus, dürften sich aber nicht mit dem Fehlen von Verantwortlichkeiten und fachlicher Kontrolle verbinden.
Nach seiner Beobachtung gebe es in der evangelischen Kirche jenseits der etablierten Strukturen, also dem Beteiligungsforum, den Landeskirchenämtern, dem Rat der EKD, wenig Auseinandersetzung zu sexualisierter Gewalt. In der katholischen Kirche gebe es Laien-Bewegungen wie „Wir sind Kirche“, „Maria 2.0“, die katholische Jugend und das Zentralkomitee der Katholiken. Diese Gruppen und Verbände übten Druck aus, dass sich etwas ändere.
epd-Gespräch: Franziska Hein