EKD News

Kommuniqué der sechzehnten Begegnung im Bilateralen Theologischen Dialog zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Rumänischen Orthodoxen Kirche (Goslar XVI)


I.

Vom 19. bis 23. Februar 2024 fand die 16. Begegnung im Bilateralen Theologischen Dialog zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Rumänischen Orthodoxen Kirche (Goslar XVI) zum Thema „Jugendpastoral und -katechese als ökumenische Zukunftsaufgabe“ statt. Hierzu hatte die Evangelische Kirche in Deutschland in das Christliche Tagungszentrum Haus Hainstein in Eisenach eingeladen.

Das Treffen fand im 45. Jubiläumsjahr des Dialogs statt.

Delegation der Rumänischen Orthodoxen Kirche

Metropolit Dr. Serafim von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa (Delegationsleiter)
Vikarbischof Dr. Sofian Brașoveanul, München
Pr. Prof. Dr. Dr. h.c. Viorel Ioniţă, Genf/Bukarest
Pr. Prof. Dr. Ioan Moga, Wien
Pr. Lect. Dr. Cosmin Pricop, Bukarest
‚Pr. Prof. Dr. Stelian Tofană, Klausenburg
Pr. Prof. Dr. Ioan Tulcan, Arad
‚Pr. Prof. Dr. Daniel Benga, München/Bukarest (Koordinator)

Entschuldigt war

Pr. Prof. Dr. Constantin Pătuleanu, Bukarest (sein Beitrag wurde von Cosmin Pricop verlesen)

Delegation der Evangelischen Kirche in Deutschland

Bischöfin Petra Bosse-Huber, Leiterin der Abteilung Ökumene und Auslandsarbeit im Kirchenamt der EKD, Hannover (Delegationsleiterin)
Pfr. Dionisie Arion, Berlin‘
Pfr. Prof. Dr. Karl-Wilhelm Niebuhr, Jena
Pfr. Prof. Dr. Bernd Oberdorfer, Augsburg
Stellv. Dekanin Birgit Schlegel, Dreieich-Rodgau
Pfrn. Senta Zürn, Nürtingen
Oberkirchenrat Dr. Wolfram Langpape, Kirchenamt der EKD, Hannover (Koordinator)
Claudia Pöhler (Organisation)

Entschuldigt waren

Pfr. Prof. Dr. Henning Theißen, Greifswald
Pfr. Philipp Walter, Schönau-Rumbach

Vertreter der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien

Bischofsvikar Pfr. Dr. Daniel Zikeli, Evangelische Kirche A.B. in Rumänien, Bukarest

Gäste

Kulturattaché Dr. Iulian Costache
Elise Ebinger, Junges Forum Orthodoxie, Rom
Pfn. Dr. Dagmar Heller, Bensheim‘
Pfn. Dr. Ariane Schneider, Halle
Regionalbischof Dr. Johann Schneider, Evangelische Kirche in Mitteldeutschland
Pfr. Prof. Dr. Henrik Simojoki, Berlin
Botschafterin Adriana-Loreta Stănescu, Berlin

II.

Grußworte wurden gehalten von

Bischöfin Petra Bosse-Huber, Evangelische Kirche in Deutschland
Metropolit Dr. Serafim von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa
Die Botschafterin Rumäniens Adriana-Loreta Stănescu, Berlin
Regionalbischof Dr. Johann Schneider, Evangelische Kirche in Mitteldeutschland

Zu dem Thema „Jugendpastoral und -katechese als ökumenische Zukunftsaufgabe“ wurden die folgenden Referate gehalten:

Pfr. Prof. Dr. Karl-Wilhelm Niebuhr/Pr. Prof. Dr. Stelian Tofană
Ökumenische Bibelarbeit

Pfr. Prof. Dr. Bernd Oberdorfer
‚Zugesprochener Glaube und Traditionsabbruch: Systematische Überlegungen zu den Rahmenbedingungen der Glaubenskommunikation heute

Pr. Prof. Dr. Ioan Tulcan/Pr. Prof. Dr. Ioan Moga
Bemühungen zur Überwindung der Sozialisierungslücke und Gewinnung der kommenden Generation für den christlichen Glauben und Kirche

Pfr. Dr. Ariane Schneider
Religiöse Bildung in Deutschland – Aspekte konfessionell kooperativer religionsbezogener Bildung im öffentlichen Bildungswesen und im Kontext einer weitgehend konfessionslosen Öffentlichkeit

Pr. Prof. Dr. Constantin Pătuleanu/Pr. Lect. Dr. Cosmin Pricop
Religiöse Bildung in Rumänien – Religionsunterricht, Verankerung in der Verfassung, Sensibilitäten im Umgang mit konfessionell heterogenen Lerngruppen in den Schulen

Pfr. Prof. Dr. Henrik Simojoki
Vorstellung der gemeinsamen Handreichung von OBKD und EKD zu religiöser Bildung

Bischöfin Bosse-Huber eröffnete die Dialogbegegnung mit einem Grußwort, in dem sie in Bezugnahme auf den Tagungsort die gemeinsame Bedeutung Elisabeths von Thüringen für die beiden Kirchen und für die religiöse Elementarbildung hervorhob. Metropolit Serafim grüßte die Delegationen und Gäste und überbrachte Grüße von Seiner Seligkeit Patriarch Daniel. Er ging in einem kurzen Rückblick ein auf die Begegnungen in den vergangenen 45 Jahren und führte in die Themenstellung der Jugendpastoral ein.

Botschafterin Stănescu unterstrich in ihrem Gruß die Bedeutung der Zusammenarbeit der beiden Länder. Sie betonte die Bedeutung des Theologischen Dialoges an sich wie auch die Relevanz des Themas dieser Begegnung.

Regionalbischof Schneider überbrachte die Grüße von Bischof Kramer und fokussierte in seinem Grußwort das Thema mit Blick auf die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland.

In den Vorträgen wurden folgende Themen angesprochen:

Karl-Wilhelm Niebuhr:

Er stellt in seiner Bibelarbeit einem Abschnitt aus dem Jakobusbrief den Einladungsbrief zur Eröffnung des Kindergartens der rumänischen orthodoxen Gemeinde in Leipzig im Mai 2023 voran. Der Text aus Jakobus 3 war die Schriftlesung bei der Einweihung des Kindergartens durch Metropolit Serafim. Jakobus nennt seine Leser „die zwölf Stämme in der Diaspora“ und verweist sie auf die „Weisheit von oben“. Die von Gott kommende Weisheit ist ein Geschenk; wenn sie fehlt, können die Gemeindeglieder Gott um sie bitten, um ihren Glauben zu stärken (Jak 1,5f.). Solche Weisheit ist „zuerst einmal heilig, sodann friedlich, gütig, nachsichtig, voller Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ungeheuchelt“. Und sie schafft Frieden und Gerechtigkeit (Jak 3,17f.). Kindern, die heute in einer wenig durch Kirche und Religion geprägten Umgebung aufwachsen, kann solche Weisheit aus den Überlieferungen der Bibel und der christlichen Tradition als ein schönes Geschenk Gottes vermittelt werden, welches ihnen Freude macht, ihnen Hilfe und Orientierung gibt und sie Gott als liebenden Vater kennenlernen lässt.

Stelian Tofană:

In seinem Referat analysiert er die Emmausgeschichte auf Anhaltspunkte für Katechese und pastorale Mission der Kirche heute hin. Ihm zufolge erfordert das Paradigma der Kirchenmission eine Änderung oder Erneuerung von „intra muros Ecclesiae“ zu „extra muros Ecclesiae“. Er beobachtet die fünf Szenen der Emmaus-Perikope als Anhaltspunkte für einen Plan der Jugendkatechese und Pastoralarbeit der Kirche. In diesen Szenen entdeckt er spiegelbildliche Übereinstimmungen zwischen dem biblischen Text und der heutigen Aufgabe der kirchlichen Mission in Bezug auf junge Menschen:

Szene 1: Zwei Jünger unterwegs, im Gespräch miteinander (Lk 24,13f.) / Junge Menschen auf dem Lebensweg, im Gespräch miteinander.

Szene 2: Die Reise des auferstandenen Herrn mit den beiden Jüngern (Lk 24,15f.) / Die Mission der Kirche außerhalb ihrer Mauern.

Szene 3: Im Dialog mit den Jüngern interpretiert Jesus das Wort Gottes (Lk 24,17-26) / Bibel wird zum Thema des Dialogs mit Jugendlichen.

Szene 4: „Tischkommunion“ als Wirkung des Dialogs (Lk 24,28f.) / Eucharistische (liturgische) Kommunion mit Jugendlichen.

Szene 5: Die Rückkehr der Jünger nach Jerusalem als „Apostel der Auferstehung“ (Lk 24,32-35) / Ziel der Katechese, dass Jugendliche „Apostel” werden.

Bernd Oberdorfer:

Er setzt ein mit dem Paradox kirchlicher Verkündigung: Wesen der Offenbarung ist, dass sie erschließt, was der Mensch sich nicht selbst sagen kann, was ihn aber in seinem Menschsein „unbedingt angeht“ (Tillich). Die Verkündigung weiß, dass sie den Glauben nicht selbst erzeugen kann, hat aber zugleich die Aufgabe, die Botschaft so zu vermitteln, dass Menschen deren Relevanz für die eigene Lebenswirklichkeit erkennen und erfahren können und der Glaube im Leben Wurzeln schlagen kann. Unter Rückgriff auf Charles Taylors Säkularisierungstheorie beschreibt Prof. Oberdorfer die gegenwärtige gesellschaftliche Wirklichkeit als eine, die Religion nicht grundsätzlich feindlich gegenübersteht, aber in der die Religionszugehörigkeit nicht mehr selbstverständlich und zur Option geworden ist. In den jüngeren Generationen sei eine abnehmende Beheimatung in religiösen Gemeinschafts- und Symbolsystemen zu beobachten. Diese wirkt auch zurück auf Alltagsvollzüge der Kirche, da die zunehmende Unvertrautheit mit liturgischen Formen zum Verlust der Kraft der Selbstvergewisserung durch diese Vollzüge führt. Prof. Oberdorfer folgert daraus aber nicht den Ruf nach Aufgabe traditioneller Glaubensvollzüge, sondern eine Praxis des Experimentierens, in der Kirche neue Vollzüge erprobt, ohne die traditionellen Formen aufzugeben. Kirche ist Teil der säkularen Gesellschaft und darf nicht den Extremen verfallen, sich einerseits abstrakt als ihr Gegenüber zu definieren oder andererseits distanzlos in ihr aufzugehen. Die verschiedenen Kirchen (und auch verschiedene Milieus in den Kirchen) verorten sich zwischen diesen Extremen unterschiedlich, und diese Vielfalt ist ein Gewinn, weil sie unterschiedliche Zugänge zur Identifikation mit kirchlichen Vollzügen bietet. Gerade der Mut, in dieser Vielfalt Erfahrungen zu machen und sich über diese im ökumenischen Gespräch zu verständigen, ist ein verheißungsvoller Weg für die Glaubenskommunikation, besonders gegenüber jungen Menschen.

Ioan Tulcan:

Er stellt fest, dass in der Kirche Christi eine breite und zugleich tiefe Gemeinschaft der Mitglieder des kirchlichen Leibes besteht, in der jeder Einzelne für seinen Fortschritt im Glauben, in der Hoffnung und im Dienst an Mitmenschen Mitverantwortung und Engagement trägt. Dies gründet auf der Tatsache, dass die Kirche der mystische Leib des Herrn ist, der durch die Kraft und das Wirken des Heiligen Geistes als Geist der Heiligung, der Gemeinschaft und der Einheit zwischen allen Teilen dieses Leibes erhalten und belebt wird. Dieser Geist der kirchlichen Gemeinschaft überwindet alle künstlichen Barrieren, die zwischen den Generationen errichtet wurden oder werden. So sind in der Kirche alle gemeinsam, niemand wird ausgeschlossen, verachtet oder an den Rand gedrängt. Die Konkretisierung der Erfahrung dieses Gemeinschaftsgefühls in seinem vollkommenen Ausdruck ist die Heilige Liturgie, in der alle anwesend sind: Kinder, Jugendliche, Erwachsene, ältere Menschen, und in der alle vom ewigen Wort Gottes und durch den Empfang der eucharistischen Gaben geistlich ständig genährt werden. Es wird spürbar, dass sie sich in einem spirituellen Elan voller Wärme und Licht befinden und zu den immer höheren Stufen des Reiches des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes aufsteigen möchten. Die Erfahrung dieser Realitäten bleibt jedoch nicht in den Mauern des kirchlichen Raums verschlossen, sondern wird in zwischenmenschlichen Beziehungen auf die Welt übertragen. Die Rumänische Orthodoxe Kirche wird sich zunehmend des Auftrags bewusst, die junge Generation in ihren Lichtstrahl und ihre ständige Erneuerung zu ziehen. Sie unterstützt und ermutigt Aktivitäten und Projekte mit Kindern und der jüngeren Generation. Durch ihre Mitglieder muss sie sich mehr und mehr dafür einsetzen, sie bei der Verwirklichung ihrer Ziele zu ermutigen und ihnen eine Botschaft voller Wärme und Liebe zu vermitteln. Indem die Kirche diesen Weg beschreitet, folgt sie dem Vorbild Jesu Christi, der den Kindern und der Jugend mit großer Offenheit und Liebe entgegenkam.

Ioan Moga:

In seinem Beitrag schlägt er die Brücke von theologischer Reflexion religiöser Sozialisation zu Konkretisierungen im Gemeindekontext. Er thematisiert zuerst die mangelnde empirische Forschung in der Frage der Sozialisierungslücke für den rumänischen Bereich und damit die unterschiedliche Ausgangsbasis im Vergleich zur EKD. Ebenfalls unterstreicht er die Kontextbezogenheit des Themas: Neben anderen Faktoren seien die Komponenten religiöser Sozialisation bei rumänisch-orthodoxen Jugendlichen im Kontext einer orthodox geprägten Mehrheitsgesellschaft anders zu evaluieren als in der Diaspora. Als zweiten Schritt beleuchtet er den historischen Hintergrund, insbesondere die fehlende religiöse Sozialisation im kommunistischen Rumänien vor 1990, die von der Jugend getragene, religiöse Renaissance nach 1990 und die Migrationsproblematik. Er formuliert die These, dass diese spirituelle Renaissance damit zu erklären sei, dass ein gewisses latentes Glaubensethos erhalten geblieben sei, das u.a. auch auf das spirituell-existentielle Zeugnis charismatischer Persönlichkeiten zurückzuführen sei. Damit erweise sich eine dialogisch gelebte, authentische Spiritualität als ein wichtiger Schlüssel für eine erfolgreiche Jugendarbeit. In einem dritten Teil werden die verschiedenen aktuellen Projekte der Jugend- und Kinderpastoralarbeit in der Rumänisch-Orthodoxen Erzdiözese von Deutschland, Österreich und Luxemburg auf Diözesanebene vorgestellt. Ioan Moga plädiert zusammenfassend u.a. dafür, 1. dass trotz Generationstypologien bei der Jugendarbeit die Person und die Lebensnähe im Zentrum stehen sollten; 2. für eine „jugendsensible Kirche“ auf lokaler Ebene altersgerechte, flexible Erfahrungsräume wichtig sind, bei denen sowohl Vernetzung/Gemeinschaft, als auch Lebensorientierung und Glaubensidentität ermöglicht werden; 3. die Kirchen im digitalen Raum optimistischer ihr eigenes Potenzial zur Geltung bringen sollten.

Ariane Schneider:

Der Religionsunterricht (RU) ist in Deutschland das einzige Schulfach, das durch das Grundgesetz garantiert wird. Diese gesetzliche Garantie legt den RU jedoch auf die Form des konfessionellen RU fest. Sie ist bisher aus historischen Gründen in besonderer Weise auf die Evangelische und die Römisch-Katholische Kirche konzentriert. Als Weiterentwicklung wird der konfessionell-kooperativ erteilte Religionsunterricht (kokoRU) betrachtet, der auf regionalen Vereinbarungen zwischen evangelischen Landeskirchen und römisch-katholischen Bistümern basiert. Die Festlegung des RU auf diese beiden Konfessionen ist in der heute religiös plural ausdifferenzierten Gesellschaft in Deutschland wie auch im europäischen Zusammenhang jedoch nicht mehr zeitgemäß. Daher beanspruchen auch andere Konfessionen u.a. die Orthodoxen Kirchen das Recht, Orthodoxen RU zu erteilen. In der praktischen Umsetzung sind damit allerlei Herausforderungen verbunden.

Eine Erweiterung des kokoRU zu einem ökumenischen oder „Christlichen RU“ (CRU) unter möglicher Einbeziehung der Orthodoxie, wie er in Niedersachsen ab 2026 eingeführt werden soll, könnte ein Lösungsansatz sein. Dieser erfordert jedoch neben der Erarbeitung gemeinsamer Lehrpläne, Materialien und Standards auch eine entsprechende interkonfessionelle Qualifizierung der Lehrkräfte.

Constantin Pătuleanu und Cosmin Pricop:

Der Religionsunterricht in Rumänien ist durch verschiedene Gesetze, darunter die Verfassung, das Gesetz der Religionsfreiheit und das Gesetz zur voruniversitären Bildung geregelt. Mit diesen gewährleistet der rumänische Staat die Freiheit des Religionsunterrichts gemäß den Anforderungen jeder Konfession. Im Gesetz zur vor-universitären Bildung, verabschiedet im Jahr 2023, ist Religion als Schulfach Teil des gemeinsamen Kernunterrichts in den Rahmenplänen für die Primar-, Sekundar- und Oberstufenbildung. Im Vergleich zum Bildungsgesetz aus 2011 stipuliert das neue Gesetz zur voruniversitären Bildung die Einbeziehung des Faches Religion in die Abiturprüfungen (Artikel 102). Dies betrifft die Prüfungen für das Profil „Geisteswissenschaften“ mit dessen zwei Fachrichtungen, nämlich „Sozialwissenschaften“ und „Philologie.“

Henrik Simojoki:

Er führt in die im Auftrag der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland und der Evangelischen Kirche in Deutschland erarbeitete und herausgegebene Handreichung „Christliche Bildung gemeinsam ermöglichen“ ein und stellt ihre Relevanz in der aktuellen religiösen Bildungssituation heraus. Christlicher Glaube gewinnt in einer Vielzahl von Bildungsprozessen Gestalt und angesichts der Pluralisierung des Christentums in Deutschland wird deutlich, dass religiöse Bildung in wachsendem Maß zur gemeinsamen Verantwortung der verschiedenen Kirchen wird. Die Handreichung geht auf die daraus folgende Notwendigkeit interkonfessioneller Verständigung, die sich aus Alltagsfragen kirchlichen Lebens ergibt, ein und möchte Akteure aller Ebenen sensibilisieren für die Perspektive der jeweils anderen Konfession. Das Dokument ist in vier Teile gegliedert: Es entfaltet Grundzüge eines dialogisch gewonnenen Grundverständnisses religiöser Bildung. Es schließt sich ein Abschnitt zu den sich verändernden Kontextbedingungen kirchlichen Bildungshandelns an, der auf aktuelle Herausforderungen eingeht. Es folgen exemplarische Einblicke in zentrale Handlungsfelder kirchlicher Bildungsarbeit beider Konfessionen. Schließlich werden Perspektiven auf Weiterentwicklungen kirchlichen Bildungshandelns auf kirchenleitender Ebene entfaltet und Ermutigungen formuliert, die sich an Bildungsverantwortliche der verschiedenen Ebenen vor Ort und auf Leitungsebene richten.

In den Berichten aus dem Leben der eigenen Kirche gaben sich die beiden Delegationen einen guten Eindruck zu aktuellen Ereignissen und Herausforderungen und es entwickelte sich ein lebendiger und bereichernder Austausch. Die Berichte wurden von Metropolit Serafim und Bischöfin Bosse-Huber vorgetragen und von weiteren Kommissionsmitgliedern ergänzt.

III.

Die Diskussion der Referate führte die beiden Delegationen zu den folgenden Überlegungen und Einsichten:

  1. Die Verhältnisbestimmung von Religionsunterricht und Katechese

Die Bibelarbeiten führten im Austausch zu unterschiedlichen Verhältnisbestimmungen von Religionsunterricht und kirchlicher Katechese, wozu auch die Frage zählt, ob der Religionsunterricht in eine Kirche integrieren solle oder nicht. Reflektiert wurde die Frage nach zeitgemäßen Methoden der Vermittlung religiöser Inhalte. Hierher gehört auch die Frage, ob biblische und kirchliche Inhalte und ihre sprachlichen Formen heute nachvollziehbar seien oder ob es besonderer Vermittlungsbemühungen bedürfe.

  1. Der Umgang der Kirchen mit der Säkularisierung

Ausgehend von der These der Säkularisierung als Transformation einer Gesellschaft, in der Religion nicht selbstverständlich präsent, sondern eine Option unter anderen ist, wurde diskutiert, welche Herausforderungen dies für die Kirchen in den verschiedenen Kontexten mit sich bringt. Ein Austausch über Beispiele gelingender Praxis fand statt.

Die Erfahrung in Rumänien, dass nach der langen Zeit des Kommunismus die Kirche eine explosionsartige religiöse Renaissance erlebt hat, die v.a. von jungen Menschen getragen wurde, zeigt, dass auch unter den Bedingungen der Unterdrückung des Christentums ein „latentes Glaubensethos“ an die nächste Generation vermittelt wurde, das sich dann nach dem Kommunismus entfaltet hat. Am Beispiel der Reform der gesetzlichen Grundlage des Religionsunterrichts in Rumänien um das neue Gesetz zum Religionsunterricht von 2023 wurde deutlich, dass die Kirchen weiterhin einen so starken Rückhalt in der Bevölkerung haben, dass ein staatlicher Vorstoß zur Marginalisierung des Religionsunterrichts an staatlichen Schulen faktisch keinen Erfolg hatte. 

In Rumänien haben alle staatlich anerkannten Kultusgemeinschaften das gleiche Recht zur Durchführung des Religionsunterrichts und in der Ausbildung von Lehrkräften. Es gibt etablierte Formen der Kooperation, auch in der interkonfessionellen Offenheit des konfessionellen Religionsunterrichts. Als Beispiel wurde auf den evangelischen Religionsunterricht in deutschsprachigen staatlichen Schulen, der auch von orthodoxen Schülerinnen und Schülern besucht wird, eingegangen. Entsprechend wurde die Situation in Deutschland angesprochen, in der viele orthodoxe Schülerinnen und Schüler den evangelischen oder katholischen Religionsunterricht besuchen, weil es noch nicht flächendeckend das Angebot des orthodoxen Religionsunterrichts gibt. In der Diskussion wurde deutlich, dass eine Minderheitensituation von Religionsgemeinschaften einen so prägenden Kontext von kirchlicher Arbeit darstellt, dass viele Erfahrungen der rumänisch-orthodoxen Diaspora in Deutschland und der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien geteilt werden. Allerdings sind einige wichtige Handlungsmöglichkeiten der Minderheitskirchen im Religionsunterricht in Rumänien breiter (z.B. Möglichkeiten der Ausbildung von Lehrkräften und der Einrichtung von konfessionellem Religionsunterricht). Es ist notwendig, dass die Kirchen in Deutschland ihr Engagement für einen stärkeren Zugang von Minderheitskirchen, insbesondere in Bezug auf die Ausbildung und Anstellung von Lehrkräften an staatlichen Schulen, fortsetzen.

  1. Ansätze zur Verwirklichung einer jugendsensiblen Kirche

Im Austausch über schulischen Religionsunterricht und kirchliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wurde auch erörtert, was es zur Verwirklichung einer „jugendsensiblen Kirche“ braucht. Die daraus gewonnenen Konkretionen wurden in dieser Begegnung schwerpunktmäßig mit Blick auf das rumänisch-orthodoxe Engagement diskutiert.

Verschiedene Beispiele der Jugendpastoral der Rumänischen Orthodoxen Kirche wie „Christus wird den Kindern mitgeteilt“, „Wähle die Schule“ und ITO (Internationale Begegnung der orthodoxen Jugend) wurden vorgestellt. Konkretisiert wurde dies auch am Beispiel der Erzdiözese für Deutschland, Österreich und Luxemburg. Dazu gehören die Angebote der Jugendorganisation A.T.O.R.G. (Verein der Orthodoxen Rumänischen Jugend in Deutschland), das Buchprojekt „Die Kirche in meiner Seele“ und vieles mehr. Best-Practice-Beispiele von Jugendarbeit in Gemeinden der rumänisch-orthodoxen Diaspora zeigen eine große Dynamik und Vielfalt. Zu diesen Gemeinden gehören besonders viele Kinder und Jugendliche. Das unterstreicht die Bedeutung von Jugendarbeit als unersetzlichem Teil der Gemeindearbeit noch einmal. Herausforderungen etwa im Umgang mit Social Media werden für die beiden Länder als ähnlich empfunden. Ergebnisse aus der sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung in Deutschland (2023) wurden besprochen, die besonders die Bedeutung der frühen religiösen Sozialisation von Kindern in den Vordergrund gestellt haben. Aktuelle Tendenzen und Weichenstellungen für zukünftige Akzente in der Jugendarbeit wurden erkennbar.

IV.

Die Begegnung wurde von Gebeten gerahmt, die teils von evangelischer, teils von orthodoxer Seite geleitet wurden. Die Delegationen besuchten die Vesper in der rumänisch-orthodoxen Gemeinde in Gotha und danken Priester Bogdan-Florin Buta stellvertretend für die Gastfreundschaft der Gemeinde.

Die Begegnung ging mit einem Exkursionsprogramm einher: Eine Führung durch das Lutherhaus Eisenach begann mit einem Gang durch die Sonderausstellung „Erforschung und Beseitigung. Das kirchliche ´Entjudungsinstitut´ 1939 bis 1945“, das in Eisenach 1939 gegründet worden war. Das Delegationsmitglied Prof. Dr. Niebuhr konnte aufgrund seiner Mitarbeit Einblick in die Entstehung der Ausstellung geben. Auf der Wartburg führte Priester Constantin Anikin in die Bedeutung Elisabeths von Thüringen für die Orthodoxie ein. Die anschließende Führung durch die wissenschaftliche Leiterin der Wartburgstiftung Dr. Grit Jacobs hatte zwei Schwerpunkte: Das Leben der Heiligen Elisabeth und die Geschichte sowie die Bedeutung der Weltkulturerbestätte. Ein Gang zur Lutherstube rundete den Besuch ab. Im Bachhaus standen Leben und Werk von Johann Sebastian Bach im Mittelpunkt. Die historische Instrumentensammlung wurde bei einem Kammerkonzert hörbar.

Die Delegationsmitglieder konnten den Gesprächsfaden mit Leichtigkeit wiederaufnehmen und an die letzte Begegnung im Kloster Caraiman in großer Herzlichkeit anknüpfen. Im Dialog entstand durch die Referate und im regen Austausch danach ein Panorama mit Blick auf schulischen Religionsunterricht und kirchliche Katechese sowie mit Blick auf die religiöse Sozialisation in Familie, kirchliche Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Rumänien, Deutschland und Österreich. Für den geschwisterlichen, vertrauensvollen und offen geführten Austausch sind beide Delegationen dankbar. Sie empfehlen ihren Kirchen die Fortsetzung des Dialogs. Als Termin für die kommende Dialogtagung wird das Jahr 2027 benannt.

Als Stichwort, das bei der Vorbereitung der kommenden Dialogtagung eine Rolle spielen könnte, wurde die Verantwortung der Kirchen in Bezug auf die neuen moralischen, sozialethischen und politischen Herausforderungen in Europa benannt. Es wurde aber angeregt, dass sich die Delegationen in Vorbereitung der kommenden Begegnung darüber verständigen, welchen konkreten Herausforderungen für die Kirchen dann Priorität zukommt.

Die beiden Delegationen sprechen den Wunsch nach Veröffentlichung der Texte der Dialogtagung und nach einer breiten Rezeption der Ergebnisse der Begegnung in beiden Kirchen aus.

Metropolit Serafim 
von Deutschland,
Zentral- und Nordeuropa   

Bischöfin Petra Bosse-Huber 
Leiterin der Hauptabteilung
Ökumene und Auslandsarbeit