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300 Jahre Johannespassion von Bach – EKD


In Leipzig erinnern in diesem Jahr das Gewandhausorchester und der Thomanerchor an die Uraufführung vor 300 Jahren und interpretieren unter der Leitung von Reize die Johannespassion am Gründonnerstag (28. März) in der Thomaskirche sowie in der Nikolaikirche am Karfreitag (29. März).

Gespielt wird die erste Fassung von 1724. „Es geht darum, das zu zeigen, was Bach vor 300 Jahren geschrieben hat“, sagt Reize. Zu dieser Urfassung gebe es zwar keine edierten Noten. Aber für den Thomanerchor hat Reize gemeinsam mit dem Leipziger Muskverleger Martin Krämer und Bach-Archiv-Direktor Peter Wollny das notwendige Aufführungsmaterial erstellt. Insgesamt gibt es vier Fassungen der Johannespassion von Bach und eine fünfte, die diese miteinander vermixt.

Der Erzählung aus dem Johannes-Evangelium stehen in den Arien persönlichen Reaktionen auf das Geschehen gegenüber. Die Choräle spiegeln die Gefühle der Gruppe, der Gemeinde. Bachs Amtsvorgänger als Thomaskantor, Johann Kuhnau, hatte diese musikalisch angereicherten Passionsaufführungen eingeführt. Bach, seit 1723 Thomaskantor, nutzte ein Jahr nach seinem Dienstantritt die erste Gelegenheit, daraus etwas ganz Besonderes zu machen.

Reize würde „gern mal in die Gesichter der Menschen von damals schauen“, sagt er: „Ich stelle mir immer vor, wie das gewirkt hat, das muss völlig verrückt gewesen sein.“ Der Eingangschor mit „dieser Wellenbewegung, dem Suchenden, das hat es zuvor in dieser Art noch nie gegeben“.

Für den Komponisten Hans Werner Henze (1926-2012) kommen in Bachs Johannespassion „Dinge zur Sprache, die bis dahin mit Tönen zu sagen niemand gewagt, niemand vermocht oder auch nur versucht hatte“. Der Dirigent John Eliot Gardiner sprach einmal von einer „unerreichten Bildhaftigkeit“ der Komposition, mit bis ins Mark gehenden Dissonanzen.

„Die Qualität liegt erstmal darin, dass kein Ton zu viel drinsteht“, sagt der Chordirektor der Dresdner Kapellknaben, Christian Bonath. Bach schaffe „eine enorme Nähe zum Affekt“ und ermögliche damit das unmittelbare Wahrnehmen. Er habe so „unglaublich gute Musik geschrieben, dass man nur davon profitieren kann, wenn man sich damit beschäftigt“.

Nicht zuletzt deshalb haben die Kapellknaben jetzt zum ersten Mal in ihrer rund 350-jährigen Geschichte die Johannespassion aufgeführt. Regulär gestaltet der Chor, der einst für den zum Katholizismus konvertierten Dresdner Hof gegründet wurde, die Messen in der Dresdner Hofkirche. Dass die Bach’sche Passion bisher nicht aufgeführt wurde, liegt an der Geschichte des katholischen Chores, der für die Liturgie, nicht aber für Konzerte zuständig ist.

Bonath hält die Aufführungen außerhalb der Gottesdienste für wichtig. Er will damit auch Menschen ansprechen, die keine Messe besuchen würden: „Unsere Aufgabe ist es, alle zu erreichen, nicht nur die vier Prozent Katholiken, die wir hier noch sind.“

Die Johannespassion stand lange Zeit im Schatten der noch viel umfangreicheren Matthäuspassion von Bach – heute nicht mehr. Längst werden beide Werke auch szenisch aufgeführt, die Johannespassion vor einigen Jahren vom Ballett der Leipziger Oper in der Choreografie von Mario Schröder. Auch der US-amerikanische Theaterregisseur Peter Sellars fand faszinierende Bilder. Nach seiner Ansicht ist die Johannespassion ein Stück „für Suchende, für Menschen, die immer wieder von vorne anfangen“.

Von Katharina Rögner (epd)