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Raus zum Osterspaziergang – EKD


Spaziergangswissenschaftler Martin Schmitz von der Kunsthochschule Kassel empfiehlt, das Smartphone beim Osterspaziergang zu Hause zu lassen, um beim mußevollen Flanieren nicht gestört zu werden. „Das absichtslose Umherstreifen in der unmittelbaren Umgebung eröffnet ganz neue Perspektiven.“ Denn Digitalisierung, Mobilität und die Beschleunigung des Lebens führten dazu, dass viele Menschen nirgendwo recht verortet seien und nicht einmal mehr ihren Wohnort richtig kennen. Doch ein steigendes Interesse an der analogen Welt formiere sich bereits zur Gegenbewegung, glaubt er: „Spazierengehen ist total in.“

Unberührte Natur gebe es hierzulande jedoch kaum noch, gibt Schmitz zu bedenken. Auch jenseits bebauter Flächen habe es der Spaziergänger meist mit den Resultaten menschlicher Landschaftsgestaltung zu tun, am Baggersee, auf dem Feldweg, im aufgeforsteten Wald oder im Stadtpark. „Die Natur, das wahrhaft Lebendige und Ursprüngliche, ist unsichtbar.“ Ein Spaziergang an den Ostertagen könne Anlass sein, genauer hinzusehen, das Neue im Werden und Vergehen der Umwelt zu entdecken.

Als spirituelle Erfahrung begreift Diakon Klaas Grensemann den Osterspaziergang. Regelmäßig begleitet er Klostergäste im niedersächsischen Bursfelde beim Wandern. Idyllisch sei das umliegende Wesertal allemal, sagt er. Doch entscheidend sei die Umkehr des Blickes. „Dann gehe ich nicht nur durch die Natur, sondern durch die Schöpfung, ja dann sehe ich mich selbst als Geschöpf, und begegne auch den Mitwandernden neu.“ Anregend sei es etwa, mit Kindern zu wandern. „Die entdecken oft Dinge, die wir Erwachsenen übersehen, schon allein, weil sie kleiner sind.“

Das knospende Leben am Wegesrand könne den Blick „auf die guten Kräfte“ in der Welt richten, „auf das Gelingen, auch im eigenen Leben, auf Quellen der Heilung und der Versöhnung, auch in dieser krisenhaften Zeit“, sagt Grensemann, der im geistlichen Zentrum Kloster Bursfelde der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers arbeitet. Dieser Blickwechsel sei nicht banal. „Im Zentrum der Ostergeschichte steht ja auch das Nicht-sehen und Nicht-erkennen-können“, so wie die Jünger in der Emmausgeschichte (Lukas 24) dem auferstandenen Christus begegneten, ihn aber nicht erkannten. „Erst später fragten sie sich: ‚Brannte nicht unser Herz?’“

Tatsächlich werde der tiefe Sinn der biblischen Ostererzählungen verstellt, wenn man die Bedeutung des Lebens und Sterbens Jesu allein mit Begriffen wie Schuld und Versöhnung erkläre, sagt auch der evangelische Theologe Martin Laube. „Es sind mythische Erzählungen, es steckt also mehr darin, als man begrifflich fassen kann.“

Das spürt wohl auch Faust in Goethes Drama, erschienen an Ostern 1808. Als die Engel „Christ ist erstanden“ anstimmen, ist er angerührt. Zugleich muss der aufgeklärte Gelehrte und Prototyp des modernen Menschen feststellen: „Allein mir fehlt der Glaube.“ Erinnerungen an Osterfeste in Kindheit und Jugend wecken in ihm „ein unbegreiflich holdes Sehnen“. Den Erwachsenen treibt es wieder hinaus die Natur, und bei seinem Osterspaziergang öffnet sich ihm die Welt wieder: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“