Versucht man, eine minderheitliche Sprache in ihrem Verhältnis zur mehrheitlichen (majeur) Sprache zu bestimmen, wird erkennbar, wie minderheitliche Sprache als eine Praxis des Werdens funktioniert. Dabei geht es um ständige Grenzverletzungen des Standards einer Sprache, um eine ständige Unterwanderung ihrer Machtverhältnisse, um eine ständige Variation ihrer Doktrin. Es geht um ein Stottern am Rande des Unsagbaren und um die Erfindung einer neuen Sprache – einer minderheitlichen Sprache – in der Mehrheitssprache.
So wie Kafka als Prager Jude deutsch schreibt, oder Beckett als Ire Französisch oder wie in den Schwarzen Vierteln Amerikas eine neue Sprache (black English) entsteht: Immer im Werden, variierend, spielend, subversiv, erfinderisch. Es geht also um den „unterschiedlichen Gebrauch derselben Sprache“.
Dietrich Sagert