„Es ist gerade jetzt wichtig, dass wir unsere Wurzeln kennen und Traditionen pflegen“, sagt Maistrenko. Schon zu Sowjetzeiten, als sie klein gewesen sei, sei versucht worden, ukrainische Traditionen zu verbieten und die Identität der Ukrainer auszulöschen. „Ich durfte keine Farbe vom Ostereierbemalen an meinen Händen haben, das war gefährlich.“
Durch die Reihen des provisorischen Kirchenateliers schreitet auch Roman Maksymtsiv und betrachtet, wie aus weißen, schlichten Hühnereiern farbenfrohe, detailreiche Kunstwerke werden. Maksymtsiv ist seit 2004 Pfarrer in der Pfarrei St. Wolodymyr, die für ganz Niedersachsen zuständig ist. Er weiß, dass die Situation auch mehr als drei Jahre nach Kriegsbeginn für die Menschen schwierig ist.
„Einerseits sind sie glücklich, in Sicherheit zu sein, manche haben Arbeit gefunden, die Kinder gehen in die Schule“, sagt Maksymtsiv. Andererseits seien da große Sorgen um die Männer, um Familienmitglieder und Freunde, die noch in der Ukraine sind. Maistrenko nickt. Sie pendelt zwischen der Ukraine und Deutschland, um sowohl bei ihrer Mutter und ihrer neunjährigen Tochter, die nach Deutschland flohen, als auch bei ihrem Mann in der Ukraine sein zu können.
Marija Maksymtsiv, die Frau des Pfarrers, sagt, Angst und Trauer seien ständige Alltagsbegleiter der ukrainischen Gemeindemitglieder. Es gebe niemanden, der im Krieg nicht jemanden verloren habe. „Egal, was wir tun, die Traurigkeit ist immer da, niemand kann den Schalter einfach umlegen.“
Deshalb seien gemeinsame Aktionen wie das Ostereierverzieren auch für die psychische Widerstandskraft wichtig, sagt Marija Maksymtsiv: „Zusammensein tröstet.“ Die fokussierte Arbeit an den Ostereiern halte zudem das Gedankenkarussell für eine Weile an und helfe den Menschen, abzuschalten. Drei bis vier Stunden dauert es selbst für erfahrene Pysanka-Künstler, bis ein Osterei fertig ist. „Das ist wie Meditation, sehr heilsam.“