Die Geschichten seien ein willkommener Tagesabschluss, „mit Ruhe, nicht nur für die Kinder, auch für mich“, schwärmt Insel-Urlauber Björn Knölke, der mit seiner Familie gekommen ist. Und auch Marx hat Spaß. „Ich liebe das, dieser direkte Draht zu den Kindern, Eltern und Großeltern“, sagt der Theologe, der aus dem österreichischen Großpetersdorf südlich von Wien an die Küste gereist ist. Genauso wie Lektorinnen und andere Ehrenamtliche unterstützt er Inselpastor Jan Janssen im Sommer, schon zum zehnten Mal.
Der Deal: ein Mix aus Arbeit und Urlaub. Marx gestaltet Gottesdienste, Vorträge und Aktionen wie die Gute-Nacht-Geschichten und hat dafür im Pfarrhaus direkt neben der Kirche für sich, seine Frau und drei Kinder eine Wohnung frei. Nach Marx folgen weitere Kolleginnen und Kollegen.
Ähnlich läuft es mit dem Projekt „Musik gegen Koje“, das sich Jan Janssen mangels eigener fest angestellter Kirchenmusiker in der Gemeinde ausgedacht hat und das nun schon im dritten Jahr funktioniert. Vom Festland kommen Musikerinnen und Musiker, gestalten kleine Konzertabende, wirken im Gottesdienst mit oder auch bei Taufen, Trauerfeiern und Hochzeiten der Insulaner, die trotz der Mehrarbeit in den Sommerwochen nicht verschoben werden. „Wir genießen ein Publikum, das bunt gemischt von überall her in die Kirche kommt“, sagt Musikerin Karola Schmelz-Höpfner, die mit ihrem Mann Christian für ein paar Tage im Pfarrhaus eingezogen ist.
Gottesdienste und die Musik – das sind auf der Insel absolute Publikumsmagneten. Das Duo Schmelz-Höpfner aus dem oldenburgischen Ganderkesee hat unter anderem Songs von den „Fab Four“ mitgebracht, mit denen sie einen Abend gestalten: 60 Minuten „The Beatles meet the Bible“, Lieder verbunden mit Bibeltexten. „A hard Day’s night“ zum Beispiel. Dazu liest Jan Janssen aus den Prediger-Texten: „Genieß das Leben mit der Frau, die du liebst.“
Bei „Yesterday“ singen fast alle in der voll besetzten Kirche laut mit. Manche schließen dabei die Augen, andere wippen zum Takt mit den Füßen. Dann, zum Ende, „Let it be“. Das Publikum erhebt sich aus den Kirchenbänken, Zugabe-Rufe und anhaltender Applaus. Karola Schmelz-Höpfner freut sich über den Beifall und ermutigt die Gäste: „Klatschen ist wie mit den Händen ‚Amen‘ sagen.“ Schließlich, zum Runterkommen, leise Gitarrenklänge, das „Good Night“ von Paul McCartney und John Lennon: „Now it’s time to say good night – Good night, sleep tight.“
Eine Stunde mit den Beatles, das ist fast die Ausnahme. Es sei die zeitlich begrenzte Form, die Miniatur, die bei den Gästen gefragt sei, sagt Jan Janssen. „Die Zeit im Urlaub ist kostbar“, weiß der Inselpastor und gestaltet passende Angebote. Ein Beispiel dafür sind seine Abendandachten unter dem Titel „Eine Handvoll Augenblicke“, 60 Einladungen bis Anfang September, jeweils für 15 Minuten.
Die Entdeckungsreisen durch die Nikolaikirche und die Gute-Nacht-Geschichten sind nach gut 30 Minuten zu Ende. Auch der Gottesdienst am Sonntag hat zeitlich ein klares Format. Selbst wenn er wie dieses Mal vom Ehepaar Schmelz-Höpfner mit Beatles-Songs bereichert wird.
Das sei großartig gewesen, schwärmt beim Tee nach dem Gottesdienst im Gemeindezentrum Alexia Dubourg, die gerade als Praktikantin im Nationalparkhaus arbeitet. „Die Leute hatten alle ein Lächeln im Gesicht“, meint die 25-jährige Studentin. Vielleicht hat das auch etwas mit dem letzten Lied zu tun, einem echten Ohrwurm: „Here comes the sun.“ Bei der Heimreise im Waggon der Inselbahn auf dem Weg durch die Salzwiesen Richtung Hafen klingen Melodie und Text noch lange nach: „Here comes the sun, and I say it’s all right.“