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Wie kann die Kirche verantwortungsvoll mit Macht umgehen? – EKD


Wie genau wird der Nachmittag ablaufen?

Kristin Merle: Der Samstagnachmittag beginnt mit einer kleinen Herausforderung: Denn er ist für viele Synodale gleich der Auftakt für die Synodentagung in Dresden. Es ist also gewissermaßen für viele ein ‚Kaltstart‘ in die Synodentagung wie in das doch heikle wie emotional besetzte Thema ‚Kirche und Macht‘. Insofern wird es ein Warm-Up geben, das aber natürlich flott ins Thema führen wird. Im Wesentlichen sind drei Einheiten für die Stunden 14 bis 19 Uhr vorgesehen: In einer ersten Einheit wird es vier Impulse mit vier unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema geben, jeweils verbunden mit Gesprächsmöglichkeiten. Diese Impulse sollen die zweite Einheit vorbereiten und Blicke schärfen:  
In kleineren Gesprächsformaten soll es dann nämlich um die Frage verantwortlicher Machtgestaltung gehen – nicht zuletzt in und zwischen den Leitungsgremien der EKD. Hier setzen die Synodalen eigene Impulse. Zum Beispiel kann der Frage nachgegangen werden, welche Verpflichtungen und Handlungsspielräume die EKD mit Blick auf eine Transformation hin zu einer machttransparenten und -sensiblen Kirche nach innen und gegenüber der Gesellschaft besitzt. Und natürlich geht es dann auch darum zu benennen, welche Fragen und Aufgaben in den mehrjährigen Arbeitsprozess der Arbeitsgruppe ‚Kirche und Macht‘ eingespeist werden sollen.
Diesem Gesprächsformat schließt sich dann drittens ein internationales Podium an, das zum einen unterschiedliche Erfahrungen und Perspektiven aus anderen Kirchen und Ländern eintragen und zum anderen Impulse für einen offenen, ökumenischen und gesellschaftlich verantworteten Umgang mit Macht in kirchlichen Strukturen geben soll. Es soll hier ebenfalls um den Austausch darüber gehen, wie Machttransparenz, Verantwortung und Partizipation auch in globalen Kontexten und Verflechtungen gestaltet werden können.
Der Themennachmittag schließt mit einer Möglichkeit zur Antragstellung.

Worauf zielt der Arbeitsprozess ‚Kirche und Macht‘ ab? 

Kristin Merle: Der Arbeitsprozess ‚Kirche und Macht‘ ist auf der Synodentagung 2024 initiiert und vom Rat der EKD eingesetzt worden. Er ist als mehrjährige Initiative angelegt, die federführend von einer eigens gebildeten Arbeitsgruppe operationalisiert wird. Die Arbeitsgruppe soll Zielsetzungen formulieren und ein Maßnahmenpaket erarbeiten, das das Thema als Teil eines kirchlichen Transformationsprozesses bearbeitet. Dabei liegt der Fokus auf der Gestaltung von Macht für zukunftsfähigen Organisation in gesellschaftlicher Verantwortung. Die Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit aufgenommen und Perspektiven geschärft, sie steht aber noch am Anfang. Das ‚Start-Team‘ besteht bisher aus Vertreter:*innen des Rats der EKD, der Kirchenkonferenz, des Kirchenamtes sowie der Synodalen Arbeitsgruppen. Es folgt jetzt ein wichtiger Schritt, der für Veränderungsimpulse unmittelbar bedeutsam ist: Es sollen zur AG weitere sechs Personen aus Zivilgesellschaft und kirchlicher Basisarbeit hinzukommen, und die AG wird begleitet durch eine Person aus der Organisationsberatung. Diversität und die Möglichkeit, externe Expert:*innen hinzuzuziehen, sind ausdrücklich vorgesehen. Zudem plant die AG, Hearings mit Akteur:*innen aus unterschiedlichen kirchlichen und gesellschaftlichen Kontexten durchzuführen, um möglichst viele Perspektiven einzubeziehen. Im Wesentlichen zielt der Arbeitsprozess darauf ab, organisatorische Strukturen und Prozesse der EKD (auch im Verhältnis zu den Landeskirchen) kritisch zu sichten und Machttransparenz, Verantwortung und Partizipation innerhalb der Kirche zu stärken.

Was ist Ihre Erwartung an die synodale Befassung?

Kristin Merle: Es kann nur Gutes daraus werden, wenn die Synodalen das Thema ‚Kirche und Macht‘ offen und engagiert aufnehmen. Wenn es darum geht, gemeinsam die komplexen und oft schwierigen Fragen rund um Macht in kirchlichen Strukturen zu reflektieren und konkrete Handlungsbedarfe zu identifizieren, soll die Synode ja nicht nur begleitend tätig sein, sondern auch aktiv Impulse setzen und den mehrjährigen Arbeitsprozess konstruktiv begleiten. Wichtig wird sein, dass die Synodalen als Vertreter:innen der verschiedenen Landeskirchen bereit sind, Machtstrukturen und auch eigene Machtpositionen kritisch zu hinterfragen und daraus Handlungskonsequenzen und Arbeitsaufträge – zum Beispiel an die Arbeitsgruppe ‚Kirche und Macht‘ – zu formulieren. Wir als Synodale können Verantwortung wahrnehmen, indem wir kirchliche Hierarchien und (Entscheidungs-)Prozesse kritisch hinterfragen, Transparenz und Partizipation thematisieren und an dem Kulturwandel aktiv mitarbeiten. Es wäre großartig, wenn die synodale Befassung am Ende des Tages mindestens genauso viel positive Dynamik hat wie zum Zeitpunkt der Beschlussfassung 2024 – und wenn wir all das auffassen als Auftakt für einen notwendigen Kirchenreformprozess.

Wenn Sie an die Zukunft der Kirche denken: Welche Veränderungen im Umgang mit Macht wären aus Ihrer Sicht notwendig, um glaubwürdig zu bleiben?

Kristin Merle: Um glaubwürdig zu bleiben, muss Kirche ihren Umgang mit Macht auf den Prüfstand stellen und das Thema Verantwortung fokussieren. Über Macht und Machtstrukturen nachzudenken und lebensdienliche Strukturen wie Beziehungen zu etablieren, bedeutet immer, insbesondere diejenigen zu schützen und zu stärken, die in kirchlichen und gesellschaftlichen Konstellationen situativ weniger handlungsmächtig, vulnerabel oder gar ohnmächtig sind. Ein verantwortungsvoller Machtgebrauch erfordert klare und transparente Verfahrensregeln, vor allem im Umgang mit Fällen von Machtmissbrauch. Verantwortungsdiffusion jedenfalls schadet nicht nur der Glaubwürdigkeit, sondern Menschen konkret. Unerlässlich bei allem erscheint mir, wenn wir über einen notwendigen Kulturwandel sprechen, Macht als Thema offen thematisieren zu können und Machtverschleierung als Praxis kritisch zu befragen. Kommunikation spielt dabei eine wichtige Rolle: Macht zeigt sich durch den Zugang zu Wissen und Informationen sowie durch die Art und Weise, wie diese geteilt oder zurückgehalten werden. Eine offene, partizipative Kommunikationskultur, die Wissen transparent macht, Unterschiedliche in Aushandlungsprozesse einbindet, welches Wissen gelten soll, fördert Gleichberechtigung und Teilhabe, kirchlich und gesellschaftlich.