Freiburg (epd). Sanft schwingt die Schaukel im weiten Raum hin und her. Ein leichter Lufthauch streicht um die Nase, während man bequem in der Schaukel liegt, begleitet von einem Gefühl der Leichtigkeit und Unbeschwertheit. Umgebungsgeräusche scheinen weit weg. Die schwarze Liegeschaukel hängt aber nicht auf einem Spielplatz, sondern in der evangelischen Freiburger Thomaskirche. An zwölf langen Stahlseilen pendelt sie etwa sieben Sekunden hin und her. Ein ganz besonderes Erlebnis, das Erwachsene oft an die eigene Kindheit erinnert.
„Ich habe mich unglaublich leicht gefühlt, der Körper hat seine Schwere verloren“, erzählt Christa (57) aus Frankfurt strahlend. Sie habe zwischendurch die Augen geschlossen und sich wie in einer anderen Dimension gefühlt. Auch ihr Mann Ewart (67) ist begeistert. Diesen Zustand zu erleben und im Liegen zu schaukeln, sei etwas ganz Besonderes. Er habe teilweise sogar vergessen, zu atmen.
Für den Berliner Philosophen Wilhelm Schmid ist das Schaukeln die „Urbewegung des menschlichen Daseins“. Schon vor der Geburt würden die Menschen im Mutterleib geschaukelt und später in den Armen gewiegt. Es stimuliere die Sinne und sei eine gute Übung fürs Leben. Die Bewegung übertrage sich auf die Seele und sei inspirierend.
Durch das schwungvolle Hin und Her könne man außerdem mehr Lebensfreude gewinnen, erklärt Schmid, der dazu das Buch „Schaukeln. Die kleine Kunst der Lebensfreude“ veröffentlicht hat (Insel-Verlag 2023). Zudem sei dies eine der besten sportlichen Betätigungen und sehr komplex. Deshalb sollten auch Erwachsene öfters schaukeln, rät der 72-Jährige, der selbst regelmäßig Spielplätze besucht und als „Schaukel-Philosoph“ bekannt ist.
In Freiburg beschreibt Kirchenmitarbeiter Klaus Rau, was das Schaukeln im Kirchenraum für ihn so besonders macht: „Als ich das erste Mal damit geschaukelt bin, habe ich mich gefühlt wie in Abrahams Schoß.“ Auf Außenstehende wirke eine Schaukel in der Kirche jedoch erst einmal befremdlich.
„Habt ihr sie noch alle?“, sei er anfangs gefragt worden. Doch spätestens, wenn die Kritiker selbst geschaukelt hätten, ändere sich das. Als „Schaukelbegleiter“ kümmert sich Rau um die Gäste, die an diesem Freitag die Freiburger Thomaskirche wegen der „Himmelsschaukel“ besuchen. Er hilft ihnen in die Schaukel, die knapp über dem Boden hängt, und schubst sie an – kräftig oder sanft, so wie es gewünscht wird.
Es gehe nicht um ein wildes Schaukeln, betont er. Schließlich sei die Kirche keine Turnhalle. Deshalb hängt die Schaukel nur zu bestimmten Zeiten im Kirchenraum, etwa zum öffentlichen Schaukeln am ersten und dritten Freitag im Monat. „Sonst feiern wir dort Gottesdienst, singen, machen Musik, essen und tanzen.“
Manchmal wird auch eine Sitzschaukel eingehängt, etwa für Menschen mit Behinderung. Klaus Rau erzählt von einem schwerbehinderten Jungen, der gemeinsam mit seiner Mutter schaukelt und damit zur Ruhe kommt. Die Himmelsschaukel, die es seit gut einem Jahr gibt, hat auch im Internet viele Fans. Ein kurzer Film der Evangelischen Kirche in Freiburg wurde schon mehr als 160.000 Mal abgerufen.
Als Schaukelbegleiterin ist auch Almut Oser dabei. Die evangelische Seelsorgerin beobachtet eine „enorme Entspannung“ bei den Schaukelnden. Sie schubst an und steht für Gespräche zur Verfügung. „Es berührt die Menschen. Da werden Kindheitserinnerungen wach“, erzählt sie. Dabei gehe es schnell um existenzielle Themen. Manche müssten sogar weinen.
Angesichts sinkender Mitgliedszahlen müsse sich die Kirche verändern und sprichwörtlich in Bewegung bleiben, ist Oser überzeugt. Die Himmelsschaukel sei ein niedrigschwelliges Angebot. Wer darin liegt, schwingt langsam und weit im Kirchenraum: „Man kann einfach so kommen, wie man ist.“
In der Thomaskirche sei schon immer gefeiert und getanzt worden, ganz nach dem Motto „Glauben mit allen Sinnen“. Da habe die Himmelsschaukel perfekt dazu gepasst, sagt Pfarrerin Gabriele Hartlieb.
Sie brachte die Idee dazu vor einigen Jahren von einer Bremer Kirche mit. Frei und geborgen, bewegt und ganz in Ruhe – langsames Schaukeln sei eine ganz elementare Erfahrung und vermittele ohne Worte, „dass wir im Glauben gehalten werden, ohne eingeengt zu sein“, ist die evangelische Theologin überzeugt – geborgen und doch frei.