Die erste Berliner Stempelstation des Jakobswegs wird am 24. August an der Königin-Luise-Gedächtniskirche eröffnet. Der Evangelische Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg hat dazu einen eigenen Pilgerstempel entwickelt, auf dem die achteckige Kirche mit einem Regenbogen – das Symbol für die LGBT-Community – zu sehen ist. „Wir wollten damit ausdrücken, was unseren Kirchenkreis ausmacht, und das ist eben auch das queere Leben hier“, sagt Superintendent Michael Raddatz. Fasziniert ist der Theologe, dass am Jakobsweg „Menschen zusammenkommen, die sonst nicht miteinander verbunden sind“. Auch direkt vor Ort würden plötzlich neue Kontakte in der Nachbarschaft entstehen – von einer Gartenbauschule bis hin zu einer muslimischen Gemeinde.
Rundweg zum Pilgern speziell für Kinder, Jugendliche und Familien
Pilgern trifft einen Nerv der Zeit. Davon ist auch Sven Steinbach von der Arbeitsstelle für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Kirchenkreis (AKJ) überzeugt. Er kam mit dem Corona-Lockdown auf die Idee, speziell für Kinder, Jugendliche und Familien einen Rundweg zum Pilgern in der Stadt zu entwickeln. Die erste Strecke ist fertig, geht durch Marienfelde und führt unter anderem an einem alten Stück Berliner Mauer vorbei. In den nächsten Monaten soll ein weiterer Stadt-Pilgerweg folgen.
Bei der Konzeption sei ihm wichtig gewesen, „dass man auf Dinge aufmerksam wird gerade in der Natur oder in der städtischen Architektur, auf die man sonst nicht so sehr achtet – sei es ein Kreuz, das sich in einer Fensterscheibe spiegelt, die Inschrift eines Hauses oder ein großer Baumstamm“, sagt der Pädagoge. Ebenfalls ab Montag wird für alle Interessierten auf der Internetseite der AKJ die Route und das Material für den Rundweg zum Pilgern öffentlich zur Verfügung gestellt.
„Der Jakobsweg gehört gehört allen, die daran teilhaben wollen“
Ein Ende des Pilgerns in Berlin ist nicht in Sicht: So will bereits am Dienstag die Juristin, Frauenrechtlerin und Gründerin der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, Seyran Ates, zusammen mit Steinert und einer ganzen Pilgergruppe nach einer interreligiösen Andacht am Brandenburger Tor sich auf eine vierwöchige Pilgerschaft Richtung Süddeutschland begeben. In Berlin-Kreuzberg erwägt die Gemeinde in den kommenden Monaten eine Pilgerkirche mit Pilgerbett einzurichten. Sogar eine Arbeitsgruppe gibt es, die sich mit der Frage befasst: „Was bedeutet Pilgern für die deutsche Hauptstadt?“
Ehrenamtliche, die sich zum Beispiel für die Ausschilderung und Pflege der Schilder am Jakobsweg engagieren, werden ohnehin dauerhaft gesucht. Man müsse nicht unbedingt gläubiger Christ sein, um sich von der Magie des Pilgerwegs anstecken zu lassen, betont Steinert: „Das Schöne ist, der Jakobsweg gehört niemandem. Er gehört allen, die daran teilhaben wollen.“
Christine Xuân Müller (epd)