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Missbrauchsbetroffene an Aufarbeitung beteiligen – EKD


Bislang wurden durch die zuständige Kommission 881 Fälle sexualisierter Gewalt in der EKD und der Diakonie bekannt. Wie hoch schätzen Sie die Dunkelziffer?

Meyns: Auch das ist schwer zu sagen. Untersuchungen über sexualisierte Gewalt im familiären Umfeld haben beispielsweise ergeben, dass der weit überwiegende Teil der Fälle nicht zur Anzeige gebracht wird. Andere Studien gehen bei Missbrauchsdelikten davon aus, dass die Dunkelziffer etwa Faktor zehn der bekannten Fälle beträgt. Ohne genaue Zahlen zu kennen: Sicher ist, dass wir nur um einen Teil der Fälle wissen.

Wie schwierig ist es, dieses Dunkelfeld auszuleuchten – und womöglich weitere Täter zu identifizieren?

Meyns: Natürlich umfasst die unabhängige Aufarbeitungsstudie auch ein Projekt zur Gesamtzahl der Fälle. Es soll klären, welche Dimensionen die sexualisierte Gewalt in der Kirche tatsächlich hat. Da dies ohne konkrete Hinweise schwierig ist, sollen, soweit möglich, die Personalakten Auskunft geben. Sofern im Einzelfall kein Disziplinarverfahren wegen entsprechender Vergehen verzeichnet ist, wird es komplizierter, Hinweise auf sexualisierte Gewalt zu finden. Um die Dimensionen des Missbrauchs in der Kirche darüber hinaus einordnen zu können, haben wir den Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung gebeten, eine Studie anzuregen, die das Dunkelfeld sexualisierter Gewalt in allen Institutionen bundesweit erhellt.

Womöglich weil es so schwer ist, Licht ins Dunkel zu bringen, fordern Betroffene eine Einbindung staatlicher Stellen in die Aufarbeitung, um maximale Unabhängigkeit zu garantieren. Wie stehen Sie dazu?

Meyns: Tatsächlich beraten wir mit dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, bereits, wie wir die institutionelle Aufarbeitung transparent, unabhängig und im Sinne der Betroffenen gestalten können.

Was tun Sie, um die Betroffenen am Prozess zu beteiligen?

Meyns: Seit dem Sommer gibt es einen zwölfköpfigen Betroffenenbeirat, der sich aus Personen zusammensetzt, die entweder selbst Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt haben oder Familienangehörige sind. Das Gremium konnte Corona-bedingt leider erst verspätet an den Start gehen. Ich bin überzeugt, dass der Betroffenenbeirat uns ein kritisches Gegenüber sein wird – und wo nötig, ein Korrektiv. Denn klar ist: Für eine Aufarbeitung, die diesen Namen verdient, müssen die Betroffenen intensiv beteiligt sein.

Das epd-Gespräch führte Daniel Behrendt.


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