EKD-Ratsvorsitzende Kurschus und Sportbeauftragter Latzel wenden sich an DFB-Präsident: Sorge und Skepsis vor Beginn der Fußball-WM
Mit der Bitte, bei der bevorstehenden WM in Katar öffentlich und klar für Menschenrechte einzutreten, haben sich die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Annette Kurschus, und der EKD-Sportbeauftragte, Präses Thorsten Latzel, an den Präsidenten des Deutschen Fußballbundes (DFB), Bernd Neuendorf, gewendet „Mit großer Sorge und Skepsis sehen wir – wie zahlreiche Menschen in unseren Kirchengemeinden – dem Beginn der Fußball-WM in Katar entgegen“, heißt es in einem heute veröffentlichten Schreiben der beiden leitenden Geistlichen. „Sie findet in einem Land statt, in dem Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften seit Jahren auf die entwürdigende Lage der Arbeitsmigrant*innen, die massiv eingeschränkten Rechte von Frauen, den fehlenden Schutz von sexuellen Minderheiten (LGBTQ+) oder die mangelnde Meinungs-, Religions- und Pressefreiheit hinweisen. Auch ökologisch ist die Durchführung im Land mit dem höchsten CO2-Pro-Kopf-Verbrauch weltweit äußerst angreifbar.“ Mit Blick auf eine in der kommenden Woche stattfindende gemeinsame Reise Neuendorfs mit Bundesinnenministerin Nancy Feser fordern Kurschus und Latzel den DFB-Präsidenten auf, sich öffentlich für die Rechte von Frauen und sexuellen Minderheiten einzusetzen und im Verlaufe der WM Arbeitsmigrant*innen, soweit sie vorher nicht außer Landes gebracht worden sind, in ihren Wohnquartieren zu besuchen. „Verschaffen Sie sich ein eigenes Bild“, heißt es in dem Schreiben. „Helfen Sie, die unselige Instrumentalisierung des Fußballs zum Zwecke des sportswashing zu beenden.“ Eine Vergabepraxis wie 2010 dürfe sich nicht wiederholen. Elementare Menschenrechte dürften keine bloße PR-Aktion sein. „Gott hört die Schreie der Unterdrückten und Ausgebeuteten“, so die EKD-Ratsvorsitzende und der Sportbeauftragte.
Kritik äußern beide auch an dem Zeitpunkt der Weltmeisterschaft: „Eigens für diesen klimatisch ungeeigneten Austragungsort ist die WM in den späten Herbst verlegt worden, in die Zeit des christlichen Advent wie des jüdischen Chanukka. Der Auftakt ist für den Ewigkeitssonntag geplant. An diesem Sonntag wird bei uns in stiller Trauer der Verstorbenen des vergangenen Jahres gedacht. Die WM spielt sich hierzulande nicht allein im Fernsehen ab; sie prägt den Charakter und die Stimmung des öffentlichen Raums. Dies beeinträchtigt die Menschen, die diese Wochen als Zeit der adventlichen Besinnung erleben möchten – und das sind nicht allein Gläubige. Die Gleichzeitigkeit von Advent und WM wird zahlreiche Menschen in Konflikte bringen, in innere und familiäre“, heißt es in dem Schreiben.
Mit Blick auf die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland unterstreichen Kurschus und Latzel die Hoffnung, „dass der Fußball als Ausdruck einer offenen, demokratischen Gesellschaft wieder zu einer echten Form der Völker-Verständigung werden und zugleich zu seinen eigentlichen sportlichen Wurzeln jenseits einer kommerziellen Vereinnahmung zurückfinden kann.“
In einem entsprechenden Beschluss hatte die Synode der EKD bereits im November 2021 alle Einrichtungen, Gemeinden, Werke und Verbände aufgefordert, Aktionen und Projekte, die rund um die Fußball WM geplant sind, konsequent zur Auseinandersetzung mit kritischen Themen der Fußball-WM in Katar zu nutzen.
Weitere Infos unter www.ekd.de/katar.
Der Wortlaut des Briefes ist nachlesbar unter www.ekd.de/katar-brief
Hannover, 28. Oktober 2022
Pressestelle der EKD
Carsten Splitt