Sehr geehrte Frau Präses, liebe Frau Heinrich,
sehr geehrte Mitglieder der EKD-Synode,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
werte Gäste,
unmittelbar nach dem sehr schönen Gottesdienst im Magdeburger Dom und nach dem gestrigen, wie ich gehört habe, schönen Empfang darf ich Sie alle im Namen der Landesregierung ganz offiziell und vor allem ganz herzlich zu Beginn Ihrer Tagung hier in unserer Landeshauptstadt Magdeburg begrüßen. Ich freue mich sehr darüber, dass die EKD-Synode nach 2016 erneut in Magdeburg tagt. Ich habe mir sagen lassen, dass es heute das vierte Mal hier ist. Das freut uns hier in Sachsen-Anhalt natürlich ganz besonders. Einen besseren Ort hätten Sie sich für Ihre Tagung nicht aussuchen können. Denn Ihre Beratungen und Beschlüsse finden hier auch an einem Ort statt, der Sie vielleicht auch inspirieren kann.
Aber lassen Sie mich zunächst Einiges auch Kritisches sagen. Lassen Sie sich nicht davon abschrecken, dass wir hier im Land Sachsen-Anhalt zwar unzählige wunderschöne Kirchengebäude haben, aber deutschlandweit die wenigsten Christen. Lassen Sie sich auch nicht davon abschrecken, dass die meisten Menschen hier auf die Frage, ob sie katholisch oder evangelisch seien, antworten, sie seien normal. Lassen Sie sich auch nicht davon abschrecken, dass die beiden Kirchen in Sachsen-Anhalt seit der letzten EKD-Synode in Magdeburg, wenn ich mich nicht verrechnet habe, Tag für Tag fast zwei Dutzend Mitglieder verloren haben. Schauen Sie sich vielmehr in Magdeburg und in Sachsen-Anhalt um und erkennen Sie, dass Sie hier und heute schon zu Gast in der Zukunft sind, vielleicht auch in der Zukunft der Kirche Deutschlands.
Wie sieht die Zukunft eigentlich aus? – Natürlich ganz anders als früher und anders als noch in volkskirchlich geprägten Gebieten. Zuallererst ist die Kirche in Sachsen-Anhalt Kirche in der Minderheit. Damit ist Kirche hier keine Selbstverständlichkeit mehr. Das heißt, dass so gut wie nichts, was früher oder anderswo als Selbstverständlichkeit galt beziehungsweise auch gilt, in Sachsen-Anhalt als selbstverständlich gelten kann. In meinen Augen ist das für die Kirchen bei allen auch umstrittenen materiellen Voraussetzungen, die damit verbunden sind, auch eine große Chance. Denken wir an Jesus, der für die Weiterverbreitung seiner frohen Botschaft auf einige wenige Menschen setzte, ganz ohne Kirchenämter, ohne Kirchensteuer und dergleichen. Im Matthäusevangelium sagte Jesus zu seinen Jüngern: Gehet hin und lehret alle Völker! Gehet hin, gehet hinaus, verlasst euren angestammten Platz! Wagt den Aufbruch! – Meine sehr verehrten Damen und Herren, kann es sein, dass Jesus das auch uns hier und heute mitgeben will und uns dies zuruft? Ich jedenfalls bin zutiefst davon überzeugt, dass Kirche auch weiterhin eine Zukunft hat.
Nehmen Sie Ihren Aufenthalt in Sachsen-Anhalt zum Anlass, zu erkennen, dass Kirche in ihrer über zweitausendjährigen Geschichte immer einem Wandel ausgesetzt war. Kirche war nie fertig. Kirche hieß immer auch Veränderung und auch Anpassung.
Auch die Vergangenheit – darauf will ich auch kurz eingehen; Sie wissen es alle selbst: 40 Jahre Sozialismus – ging an den Kirchen hier im Land nicht spurlos vorüber, keine Frage. Den SED-Machthabern mag es damals gelungen sein, die Kirchen in die Enge zu treiben. Aber die Kirchen gibt es immer noch. Die DDR hingegen ist gottlob Geschichte.
Es mag Hoffnungen gegeben haben, dass sich die Kirchen in Ostdeutschland nach der Wende wieder dauerhaft füllen werden. Leider haben sie sich nicht erfüllt. Darüber kann man klagen, oder man sucht nicht immer nur das sprichwörtliche Haar in der Suppe, sondern, um ein Bibelzitat zu verwenden, das Salz der Erde.
Es ist uns – das möchte ich an dieser Stelle noch mal betonen – in den 30 Jahren in Sachsen-Anhalt gelungen, dass wir Vor- und Nachteile abwägen konnten, aber auch etwas erreichen konnten: Zum Beispiel haben wir vor 30 Jahren in Sachsen-Anhalt sowohl Ethik als auch Religionsunterricht als ordentliche Lehrfächer eingeführt und haben versucht, Konstruktionen wie LER oder andere Konstrukte zu verhindern.
Dann kann man sehen, dass das Wort „Gott“ in unserer Landesverfassung genauso oft vorkommt wie das Grundgesetz. Sie können hier unzählige Ehrenamtliche finden, die das Gemeindeleben am Laufen und die Kirchen im ganzen Land offen bzw. im wahrsten Sinne des Wortes auch in Schuss halten, und zwar oft, ohne selbst Kirchenmitglieder zu sein.
Sie erleben Kirchenvertreter, die ihre Stimme erheben, wenn dumpfe Parolen, Halbwahrheiten und menschenfeindliche Losungen gebrüllt werden, und uns daran erinnern, dass Christus uns am Ende unseres Lebens bestimmt nicht fragen wird: Habt ihr euch auch genügend um euch selbst gekümmert und erfolgreich das Abendland verteidigt?
Trotzdem: Wir sollten auch nicht unsere Herkunft leugnen. An dieser Stelle muss ich auch mal kritisch sagen: Man kann doch keinesfalls gutheißen, wer auch immer das getan oder angewiesen hat, wie es in Münster zum G7-Außenministertreffen geschehen ist, ein Kreuz aus einem solchen historischen Saal abzuhängen. Nur wer zur eigenen Tradition und gesellschaftlichen Prägung steht, kann auch offen, souverän und selbstbewusst auf andere zugehen.
Verehrte Vertreter, liebe Synodale, Sie können hier entdecken, wie selbstverständlich auch Ökumene gelebt wird. Sie können sich über den Neubau eines Klosters hier in unmittelbarer Nähe in der Stadt freuen, wohlgemerkt in den Ökumenischen Höfen, einem Stadtquartier mit evangelischen und katholischen Einrichtungen der Gemeinde- und Hochschulseelsorge.
Im Dom, in dem wir vorhin den Gottesdienst feiern durften, wurde vor 15 Jahren übrigens sogar ein Stück ökumenische Kirchengeschichte geschrieben. Im Rahmen der Magdeburger Erklärung kam es am 29. April 2007 erstmals zu einer formellen Vereinbarung über die wechselseitige Anerkennung der in elf verschiedenen Kirchen Deutschlands vollzogenen Taufen.
Schließlich gibt es in Sachsen-Anhalt auch Grund zur interreligiösen Freude. Denn wir bauen hier in unserem Land zwei neue Synagogen, eine in Dessau und eine in Magdeburg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie Sie hoffentlich sehen konnten, gibt es in Sachsen-Anhalt auch für die Kirchen durchaus etwas zu sehen und auch vielleicht zu lernen. Insofern kann ich mich zum Schluss meiner Rede nur wiederholen: Sachsen-Anhalt kann und möge Sie wirklich inspirieren, indem Sie erkennen, dass Gottes guter Geist auch hier weht und wirkt.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine angenehme Tagung in unserem Bundesland, konstruktive Beratungen sowie zuversichtliche Beschlüsse. Kommen Sie gerne einmal wieder nach Sachsen-Anhalt. Wir laden Sie jederzeit ein. Die Landesregierung ist froh, Sie hier zu wissen. Nochmals herzliche Grüße von unserem Ministerpräsidenten.