Ältere Kunst entspreche „nicht immer unseren heutigen Wertvorstellungen“, sagte Claussen. Man müsse sich den „Anstößigkeiten aussetzen, das ist immer lehrreich. Wir dürfen diese nicht ausradieren, sondern müssen uns dazu in ein reflektiertes Verhältnis setzen.“ Beispiel in den Kirchen sei etwa die für Juden abwertende Gegenüberstellung von Kirche und Synagoge, „auch ein klassisches Motiv der mittelalterlichen Kunst“.
Die Figur sei vor 100 Jahren zu einer Zeit erschaffen worden, als man oftmals noch gar keine eigene Anschauung von schwarzen Menschen hatte, fügte Claussen hinzu. Deshalb sei sie so karikaturenhaft geraten. Das mag früher kein Problem gewesen sein, „heute aber gibt es in der Gemeinde und in der Stadt Ulm viele Menschen, die schwarz sind. Da stellt sich die Frage, ob solch eine Krippenfigur die Andacht fördert oder stört“. Generell müssten Betroffene bei solchen Fällen immer mit eingebunden werden, das „passiert aber schon in Kirchen oder Museen, die sich ihren kolonialen Gegenständen auseinandersetzen müssen“.
„Großer Schwachsinn aber ist, dass einige Medien versuchen, aus der Ulmer Geschichte einen Skandal zu machen, und aufgeregt berichten, dass an Heilig Abend in Ulm die Weihnachtsgeschichte nach Lukas gelesen wird, weil darin die Heiligen Drei Könige nicht vorkommen“, so Claussen: „An Heilig Abend wird im Gottesdienst immer die Weihnachtsgeschichte nach Lukas vorgelesen, die nach Matthäus ist erst am 6. Januar dran.“ Diese „politisch inkorrekte Überreaktion“ zeige nur, dass die „meisten Menschen, sogar vermeintlich konservative, mit christlichen Traditionen gar nicht mehr vertraut sind und deshalb beim kleinsten Kram durchdrehen.“
Obwohl immer von den Heiligen Drei Königen gesprochen wird, ist in der Bibel nicht von ihnen die Rede. Das Matthäus-Evangelium überliefert, dass Weise oder Sterndeuter aus dem Morgenland zur Krippe kamen, um Jesus anzubeten. Dass es sich um drei gehandelt haben soll, wurde aus der Zahl und der Kostbarkeit der Geschenke – Gold, Weihrauch und Myrrhe – abgeleitet. Die Namen Caspar, Melchior und Balthasar erhielten die drei „Könige“ wohl um das 8. Jahrhundert herum. Später wurde einer von ihnen, oft Caspar, mit dunkler Hautfarbe dargestellt.
epd: Stephan Cezanne