Verehrte Gäste aus Staat, Gesellschaft und Kirche,
dies ist nun schon das zweite Mal, dass wir uns pandemiebedingt nicht wie sonst leibhaftig in der Französischen Friedrichstadtkirche zu Vortrag, Musik und gemeinsamem Singen versammeln und dann auf dem Gendarmenmarkt feiern können. Anders jedoch als im letzten Jahr, als wir die Veranstaltung einfach haben ausfallen lassen, wagen wir in diesem Jahr einen digitalen Johannisempfang. Wir hatten Sehnsucht nach Ihnen. Hinzu kommt, dass einige von Ihnen zum letzten Mal dabei sind. In Kürze werden bekanntlich sowohl der Bundestag als auch der Rat der EKD neu gewählt.
Einen digitalen Johannisempfang wagen wir auch, weil wir alle in den letzten Monaten gute Erfahrungen mit digitaler Kommunikation gesammelt haben. Ja, wir haben auch Defizite empfunden, haben bei digitalen Sitzungen und Treffen den Händedruck, die Umarmung, die Pausengespräche vermisst. Aber wir haben eben auch erlebt, dass digitale Gemeinschaft möglich ist. Den Jüngeren unter uns, den so genannten Digital Natives, mag das bereits vor der Pandemie vertraut gewesen sein, mir und vielen anderen älteren Menschen war es eine neue Erfahrung.
Zu einem digitalen Johannisempfang haben wir uns schließlich entschlossen, weil die EKD auch inhaltlich etwas zum Thema Digitalisierung beizutragen hat. Nehmen Sie den biblischen Spruch dieses Monats aus der Apostelgeschichte des Lukas: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Der Grund dafür ist nicht, dass Gott eifersüchtig wäre, sondern dass seine Gebote unser Leben und unsere Freiheit schützen. Aber was bedeutet das im Blick auf die rasant voranschreitende Digitalisierung aller Lebensbereiche? Was heißt es, Gott mehr zu gehorchen als den von Menschen ersonnenen Algorithmen? Wie sieht eine verantwortliche digitale Kommunikation aus? Zu diesen Fragen spricht heute Abend der Vorsitzende des Rates der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, zu uns.
Vor dreißig Jahren wäre ein digitaler Johannisempfang undenkbar gewesen. Allerdings wurde etwas anderes, was zuvor auch undenkbar schien, Wirklichkeit: die Einheit der Evangelischen Kirche in Deutschland. Mit Schreiben vom 24. Juni 1991, dem Johannistag, bestätigte der damalige Vorsitzende des Rates der EKD, Bischof Martin Kruse, dass das entsprechende Kirchengesetz am 27. Juni in Kraft treten könne. Er schloss seinen Brief an die Präses der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen, Oberkonsistorialrätin Rosemarie Cynkiewicz, mit den Worten: „Quod deus bene vertat – Gott möge Gutes daraus wachsen lassen!“ Im Rückblick auf 30 Jahre vereinter EKD bekennen wir: Auch wenn noch manches zu tun bleibt – die zwanzig Gliedkirchen der EKD sind heute eine stabile Glaubens- und Lerngemeinschaft. Gott sei Dank!
Auch wenn dieser Johannisempfang ein digitaler ist, soll es doch nicht an vertrauten Elementen fehlen. Wir haben hier vor der Französischen Friedrichstadtkirche begonnen und geleiten Sie gleich in den großen Saal unseres Hauses auf der anderen Straßenseite. Dort erwartet Sie neben dem Ratsvorsitzenden das Athesinus-Consort unter der Leitung von Klaus Martin Bresgott. Natürlich werden die Sängerinnen und Sänger auch „Geh aus mein Herz und suche Freud“ singen; gerne können Sie dort, wo Sie gerade sind, in das Lied einstimmen. Und wie immer wird es Gelegenheit zu Begegnung und Gespräch geben. Um Essen und Trinken müssen Sie sich diesmal leider selbst kümmern, aber wir sorgen dafür, dass Sie neue und alte, in jedem Falle aber interessante Gesprächspartner finden. Nach gut anderthalb Stunden verabschieden wir Sie dann mit einem Abendlied und einem Abendsegen.
Vielen ist an dieser Stelle zu danken. Zunächst Ihnen, die Sie sich als Zeichen der Verbundenheit auf das Experiment eines digitalen Johannisempfangs einlassen. Dann jenen, die für uns musizieren, den Berliner Bläsern und dem schon genannten Athesinus-Consort. Ein großer Dank gilt allen, die diese besondere Veranstaltung möglich gemacht haben, insbesondere unserem Verwaltungsleiter, Graf Brockdorff, bei dem die Fäden zusammengelaufen sind, und seiner Stellvertreterin, Frauke Syamken, die uns technisch so voran gebracht hat. Ich wünsche uns allen einen ertragreichen und vergnüglichen Abend!