Re:formieren heißt im einfachen Wortsinn: umgestalten / neu gestalten / neu formieren / anders anordnen. Unter dem Eindruck der #kmu6 scheint ein Narrativ deutlich hervor: Aufbruch unter den Gegebenheiten des JETZT. Kirche, wie sie jetzt ist, wird nicht die Kirche der Zukunft sein. Ein tröstlicher Gedanke. Er impliziert, dass alles neu formiert werden darf. Bei dem australischen Philosophen Roman Krznaric lese ich, dass ein wichtiger Gelingensfaktor ist, dass die Jetzigen sich als gute Vorfahren der Zukünftigen verstehen lernen.
Mit welchem mindset versteht sich dahingehend eigentlich Kirche? Der englische Begriff mindset lässt sich am besten mit den deutschen Worten Denkmuster, Einstellung, Haltung übersetzen. Mindsets funktionieren wie ein Filter, durch den die Welt interpretiert wird. Erworben aufgrund von Erfahrungen, die das Fühlen, Denken und Handeln bestimmen.
Ich ahne, die wichtigste Entscheidung wird die Frage sein, in was für eine Zukunft Kirche blickt – wird es der Gedanke des (kontrollierten) Zusammenbruches sein, die Vision einer Re:formation oder die Idee eines neuen Weges?
Aus den biblischen Erzählzusammenhängen und der Verheißung von Gottes Ewigkeit relativiert sich das eigene Tun. Biblisch gesprochen: tausend Jahre sind nur ein Augenblick in Deiner Ewigkeit. Ein Denken, das zukünftige Generationen einbezieht, orientiert sich meist an Kindern und Enkelkindern, zwei Generationen weiter. Gottes Verheißung geht weit darüber hinaus. Sie bezieht sich nicht auf Kirche in einer bestimmten Gestalt, sondern in einer bestimmten Haltung. Natürlich überschreiten Langzeitprojekte Lebenszeiten der Jetzigen.
Krznaric nennt das auch Kathedralen-Denken. Es geht darum, an Projekte heranzugehen wie mittelalterliche Kathedralenbauer, die mit dem Bau begannen und wussten, dass sie die Fertigstellung wahrscheinlich nicht mehr erleben würden. Das bedeutet nicht, dass egal ist, was jetzt passiert. Ich sehe darin eine Haltungsänderung, die gelassen angesicht der creatio continua Gottes ist. Der Versuch, im Jetzt für alle Herausforderungen gerüstet zu sein, ist pure hybris. Aber: es wird einen Unterschied machen, ob alles Zukünftige im Blick auf Kirche und Kirchenentwicklung auf einem growth mindset oder einem fixed mindset beruht.
Ein fixed mindset in Bezug auf die Frage der Kirchenentwicklung beschreibt sich so: Fähigkeiten, die bereits vorhanden sind, werden im überschaubaren risikoarmen Rahmen genutzt, mit geringen Herausforderungen und wenig Toleranz zum Scheitern, weil die Entwicklung von Ideen, Fähigkeiten und Möglichkeiten so beängstigend sind zu denken.
Ein growth mindset geht davon aus, dass Neues erlernbar ist; dass Herausforderungen nicht sofort bewältigt werden können; dass Verlustschmerz Platz haben darf; dass Denkhindernisse Mögliches verhindern; dass Kritik eine Form der Auseinandersetzung ist.
Wie entwickelt sich Kirche?
openminded. Durch Neugier, Erzählfreude, Partizipation.
Durch: Vom Glauben zu erzählen, wann immer Platz dafür ist; Menschen neugierig auf das zu machen, was trägt; Kirche jenseits aller festgefügten Gewissheiten als Gemeinschaft ohne Voraussetzungen zu denken – allein getragen von der Idee, dass es die heilige Geistkraft ist, die zum Tanzen verführt, die Schöpfungsmacht, die zum dafür-kämpfen motiviert und die Lebendigkeit von Gegenwart und Ewigkeit, die jede in-sich-Verkrümmtheit lösen kann.
(brisgen)