Gern und dankbar blicke er auf die vielen Erlebnisse und Begegnungen zurück, die er als Bischof haben durfte, sagt Bohl. In seine Amtszeit fielen mehrere Großveranstaltungen – etwa die Weihe der Dresdner Frauenkirche nach dem Wiederaufbau 2005 oder 2011 der Deutsche Evangelische Kirchentag in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden. Diese fünf Tage seien „in vielerlei Hinsicht ein Glücksfall“ gewesen, ein „Fest des Glaubens“, erinnert sich Bohl.
Er sei ein „reich beschenkter Mensch“, sagte er 2015 kurz vor seiner Verabschiedung als Landesbischof in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Gern erinnert sich Bohl auch an den Besuch des US-Präsidenten Barack Obama 2009 in der Dresdner Frauenkirche. Es sei „eine menschlich angenehme Begegnung“ gewesen. Der Präsident habe „etwas herzlich Direktes“ ausgestrahlt.
Klare Positionierung in öffentlichen Debatten
Jochen Bohl wurde am 19. April 1950 in Lüdenscheid (Westfalen) geboren und studierte von 1968 bis 1974 Evangelische Theologie in Wuppertal, Marburg und Bochum. Vor nunmehr 46 Jahren trat er in den kirchlichen Dienst. Seit 25 Jahren lebt er in Sachsen. Dort wurde er zunächst 1995 Direktor der Diakonie, 2004 wählte ihn die sächsische Synode zum Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens.
Klar und mit Sachverstand positionierte sich Bohl in der öffentlichen Debatte zu ethischen, gesellschaftlichen und politischen Fragen. In der sächsischen Landeskirche hat ihm die jahrelange Diskussion um die Öffnung sächsischer Pfarrhäuser für homosexuelle Paare viel abverlangt – auch emotional. Im Ringen um eine Lösung fehlte es zeitweise an Respekt und Aufrichtigkeit.
„Der Glaube ist auf Gemeinschaft angelegt“
„Der Ruhestand ist eine Zeit der großen Freiheit“, sagt Bohl kurz vor seinem 70. Geburtstag. Er könne sich jetzt Dinge einrichten wie er möchte – ganz im Gegensatz zu seiner Amtszeit. Einen Kalender führt er vor allem für private und ehrenamtliche Aktivitäten. Unter anderem hat Bohl seit 2016 an der Theologischen Fakultät in Leipzig einen Lehrauftrag im Fach Diakoniewissenschaft.
In der aktuellen Corona-Krise predigt er zudem selbst virtuell im Netz. Er lobt die große Kreativität der Kirchgemeinden – von Livestream-Gottesdiensten bis hin zu Briefen und Vorschlägen für Hausandachten. „In der Krise kann Ostern auch mal so gefeiert werden“, sagt er, aber das dürfe nicht zur Gewohnheit werden. „Der Glaube ist auf Gemeinschaft angelegt, man kann nicht für sich alleine Christ sein, das ist ein Ding der Unmöglichkeit“, betont er.
„Ich bin ein leidenschaftlicher Opa“
Ob der Corona-Krise auch etwas Positives abgetrotzt werden kann, für diese Einschätzung sei es noch zu früh, sagt Bohl. Es gebe aber bestimmte Fragen, die er sich stelle: Beispielsweise, ob wir es mit der Globalisierung übertrieben haben. Er denke zudem an die vielen, vor allem älteren Menschen, die jetzt allein in ihren Wohnungen sitzen. Da wäre es doch sinnvoll, weiter über Mehrgenerationen-Modelle im Familienverbund nachzudenken.
Bohl selbst genießt das Familienleben. „Ich bin ein leidenschaftlicher Opa“, sagt er. Auch sportlich ist er immer noch unterwegs, fährt viel und gern Fahrrad. Mit seinen Enkeln spielt er natürlich auch Fußball.
Die Feier zu seinem 70. Geburtstag hat er wegen der Corona-Pandemie abgesagt. Es könne auch der 75. Geburtstag gefeiert werden, sagt er nüchtern. Zu erleben ist der Jubilar an diesem Sonntag zumindest virtuell im Netz – bei einer Predigt in der Radebeuler Friedenskirche.
Katharina Rögner (epd)