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„Hören wir als Kirche erst mal zu!“ – EKD


War das für Sie überraschend?

Prieto Peral: Ja, dass gerade hier so viel Energie steckte, war überraschend. Aber dieser Satz benennt ein allgemeines Gefühl, dass wir in der Kirche oft zu kompliziert sind. Unsere Sprache ist kompliziert, unsere Strukturen sind es auch. Über den „einfachen Zugang“ können Ehrenamtliche genauso diskutieren wie Hauptamtliche. Bis heute werde ich in Gemeinden auf diese Formulierung angesprochen. Ein Theologieprofessor erwiderte allerdings, Theologie müsse auch Anspruch haben und nicht nur einfach sein; Glaube bedeute eben immer auch eine gewisse Herausforderung.

Die zweite Formulierung, die ordentlich Bewegung brachte, klingt im Grunde ähnlich einfach: „Wir müssen zuerst klären, worin unser Auftrag besteht.“ Also: Wofür ist Kirche da, wozu sind wir gerufen, hier und heute? Erst wenn Antworten auf diese Fragen gefunden sind, sollten wir über Strukturen nachdenken.  Methodisch haben wir mit fünf elementaren Grundaufgaben angesetzt, die spielerisch mit Kärtchen „verankert“ wurden. Auftragsklärung ist konkrete Basisarbeit und kann nicht zentral entschieden werden: Neu auf die Menschen um uns herum hören, und mit ihnen lernen, was Kirche vor Ort heute sein kann. Das sind inspirierende Lernwege! Im Dekanat Feuchtwangen haben die Gemeinden mit Dutzenden Vertreterinnen und Vertretern des örtlichen Lebens so gearbeitet und so ihr Thema – Familienarbeit – gefunden. Was wir nicht brauchen, sind abgelutschte Allgemein-Formeln über ein Standardbild von Kirche.

Gab es bei so viel Umstellungen auch es Widerstände?

Prieto Peral: Bis heute herrscht sicher auch Skepsis gegenüber den Ideen von PuK. Das gehört zur protestantischen DNA. Für manche allein aus dem Grund, dass der Prozess von der Kirchenleitung angestoßen wurde. Das stimmt zwar, aber genau mit dem Ziel, die Gemeinden mündiger zu machen und vieles zu dezentralisieren.  Wir haben bis jetzt in mehr als 200 Veranstaltungen mit fast 10 000 Menschen gearbeitet, und das geht jetzt eigenständig vor Ort weiter. Letztlich muss es aber auch Entscheidungen geben. Die Ergebnisse der Diskussionen und die Impulse aus den Gemeinden müssen in Rahmenentscheidungen fließen, die Kirchenleitung treffen muss.

Wie sehen jetzt die nächsten konkrete Schritte aus?

Prieto Peral: Das war die erste Phase der Beteiligung. Deren Ergebnisse wurden im Lindauer Synodenbeschluss 2019 festgehalten. Jetzt steht der nächste Schritt an: Es muss auch umgesetzt werden!

In den Gemeinden und Dekanatsbezirken ist das die begleitete Arbeit an ihren Schwerpunkten, um dann zur Stellenplanung zu kommen. Je intensiver diese „PuK-Phase“ gelingt, desto schlüssiger kann die Planung von Personaleinsätzen vor Ort vereinbart werden. Da macht sich eine Gemeinde auf zu echter Quartiersarbeit. Andere machen Kasualien zu einer wichtigen Aufgabe und geben dahinein auch Personal – dafür fallen vielleicht drei von sechs Predigtstellen im Gemeindegebiet weg. Wieder andere schaffen einen Aufbruch bei der Konfirmandenarbeit, als Kooperationsprojekt mit entsprechenden Entlastungen.

Es steht eine Vikariatsreform an, in der wir durchbuchstabieren: Wie bilden wir unseren Nachwuchs aus – hin zu mehr Eigenverantwortlichkeit, mehr gabenorientiertem Arbeiten, mehr Kommunikation des Evangeliums statt One-Way-Verkündigung. Die Pfarrerinnen und Pfarrer sollen stärker den Sozialraum als Klangkörper der kirchlichen Arbeit verstehen – uns sind neben der Ortsgemeinde auch die Diakonie, die Fachdienste oder der Lebensraum Schule wichtig.

Eine große Stellschraube, wo man in der Kirche Geld bewegen kann, sind Immobilien. Auch da braucht es das auftragsorientierte Denken: Wozu sind wir Kirche vor Ort – und was bedeutet das konkret für unseren Immobilienbestand? Unser Partnerschaftszentrum Mission EineWelt hat sein Campuskonzept komplett neu entworfen, als örtliche und inhaltliche Kooperation im Sinne von PuK. Anderes Beispiel: Eine Kirchengemeinde im Nördlinger Ries suchte Geld für die notwendige Renovierung des eigenen Gemeindehauses. Dann hat unsere Bauabteilung gesagt: Versucht doch mal, mit der Kommune zu kooperieren. So entstand ein phänomenales Dorfgemeinschaftshaus, ein Begegnungszentrum, das von Kommune, Vereinen und Kirchengemeinde gemeinsam genutzt wird – und von allen gemeinsam finanziert wurde. Kirche ist auf diese Weise mitten drin im Dorfleben.

Mit welchen Prognosen arbeitet denn PuK?

Prieto Peral:​​​​​​​ Unser Landeskirchenrat hat sich für die anstehenden Entscheidungen vorgenommen, auf der Basis von Ehrlichkeit, Offenheit und Vertrauen zu handeln. Zur Ehrlichkeit gehören solide Zahlen. Die basieren auf der Freiburger Studie und eigenen – noch vorsichtigeren – Prognosen. Das heißt bei einem mittel-pessimistischen Szenario: In zehn Jahren müssen wir bis zu zwanzig Prozent einsparen. Gleichzeitig wird sich laut Personalprognose der Pfarrerbestand in den nächsten fünfzehn Jahren fast halbieren. Ähnlich sieht es bei den Religionspädagogen und Kirchenmusikern aus. Nur die Diakoninnen und Diakone haben viel Nachwuchs.

Daraus ergibt sich: Wir haben gar nicht in erster Linie ein Finanzproblem. Wir haben das Problem, dass wir bezahlbare Stellen nicht mehr besetzen können. Dieses Nachwuchsproblem hat wiederum mit öffentlicher Wahrnehmung von Kirche zu tun. Und das führt wieder zur Ausgangsfrage: Wir müssen wissen, wozu wir da sind, um Menschen für Kirche und dann für unsere kirchlichen Berufe begeistern zu können.

Wann werden Entscheidungen getroffen?

Prieto Peral: Die nächsten drei Jahre werden wichtig. Da soll der neue Landesstellenplan nach PuK-Logik umgesetzt werden. Durch Corona ist dabei eine Unwucht entstanden, denn die inhaltliche Arbeit vor Ort wurde ausgebremst und der Sog der Strukturen wurde wieder groß. Aber wenn ich erlebe, mit welcher Kreativität und Leidenschaft mancherorts gearbeitet wird, dann habe ich keine Sorgen, dass wir als Kirche zu unseren Themen finden werden. Die Corona-Situation hat auf erstaunliche Weise die Lust am Experiment und den Mut zum Ausprobieren freigelegt. Gut so!

Wird denn auch im Landeskirchenamt reformiert?

Prieto Peral: Selbstverständlich. Wenn sich das Amt nicht bewegt, brauchen wir auch nicht zu erwarten, dass sich vor Ort was verändert. Wir müssen auch im Kirchenamt Aufgabenkritik vollziehen. Etwa fragen: Muss so viel im Amt entschieden und genehmigt werden? Welche Aufgaben können dezentralisiert werden? Natürlich bedeutet ein Abbau an Zentralverwaltung auch ein Mehr an Eigenverantwortung vor Ort und für jeden persönlich. Aber ich glaube, die Zeit ist jetzt reif, den Schritt zu machen weg von der Betreuungskirche, hin zu kreativen Freiräumen.

Das Interview führte Uwe Birnstein.

Weblinks:

Alle Informationen über den PuK-Prozess

Ev.-luth. Kirche Bayerns