Kirchenkonferenz beschließt Musterordnung zur Anerkennung erlittenen Unrechts bei sexualisierter Gewalt
Betroffene von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und ihrer Diakonie sollen bei der Anerkennung des erlittenen Unrechts künftig in allen Landeskirchen auf vergleichbare Verfahren zurückgreifen können. Auch die bisher zwischen den Landeskirchen variierende Höhe der Anerkennungsleistungen soll angeglichen werden. Eine entsprechende Musterordnung hat die Kirchenkonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in ihrer vergangenen Sitzung einstimmig beschlossen. Damit setzt sie einen Beschluss der Synode der EKD um, den diese auf ihrer Tagung im November 2019 in Dresden gefasst hatte.
„Zur Verantwortungsübernahme durch die evangelische Kirche in Fällen sexualisierter Gewalt gehört nicht nur, sich mit dem Unrecht, das den betroffenen Menschen angetan wurde und dem Schmerz, der sie bewegt, auseinanderzusetzen und daraus zu lernen, sondern auch, klar anzuerkennen, dass ihnen in der Institution Leid angetan wurde“, so der Sprecher des Beauftragtenrates zum Schutz vor sexualisierter Gewalt, Landesbischof Christoph Meyns. Mit der Musterordnung können wir den Anspruch, den Betroffene auf transparente vergleichbare Verfahren in allen Landeskirchen haben, künftig besser gerecht werden“, so Meyns. „Ich bin allen Personen dankbar, die sich in den Landeskirchen, den Kommissionen und als Mitglieder des Betroffenenbeirats in den Diskussionen und Stellungnahmen eingebracht haben.“
Derzeit sind die in den Landeskirchen etablierten Verfahren und Strukturen zur Anerkennung des erlittenen Unrechts sowie auch die Art und Höhe der Leistungen unterschiedlich gestaltet. Die neue Musterordnung gibt nun eine entsprechende Orientierung vor. Ferner sollen die „Unabhängigen Kommissionen“, die bisher in den Landeskirchen für Anträge auf Anerkennungsleistungen zuständig waren, in „Anerkennungskommissionen“ umbenannt werden, um deren Funktion deutlicher hervorzuheben. Auch die Voraussetzungen für eine Anerkennungsleistung wurden präzisiert und transparenter dargestellt. Eine Beweislast für die Betroffenen wird es dabei ausdrücklich nicht geben. Die Höhe der Anerkennungsleistungen wurde einheitlich in einem grundsätzlichen Rahmen zwischen 5.000 und 50.000 € festgelegt. Als Orientierung gelten, entsprechend der Empfehlung des Runden Tisches 2012, Schmerzensgeldurteile der Zivilgerichtsbarkeit.
Bereits im vergangenen Jahr haben Landeskirchen, die bislang pauschale Anerkennungsleistungen ausgezahlt haben, damit begonnen auf individuelle Leistungen umzustellen. Dazu wurden auch jene Personen informiert, die in der Vergangenheit eine Pauschalleistung erhalten haben und nun ggf. eine höhere individuelle Leistung erhalten könnten.
„Seit 2012 sind von den Landeskirchen ca. 8 Millionen Euro an Anerkennungs- und Unterstützungsleistungen erbracht worden. Darüber hinaus hat sich die evangelische Kirche von Beginn an am Ergänzenden Hilfesystem, am Fonds Heimerziehung und an der Stiftung Anerkennung und Hilfe beteiligt. Dafür hat sie seit 2012 insgesamt ca. 74,8 Mio. Euro aufgebracht. Sie folgte damit Empfehlungen des Runden Tisches „Heimerziehung“ von 2010 sowie des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“ von 2012.
Die Musterordnung, die nun in allen Landeskirchen Anwendung finden soll, ist als pdf herunterzuladen unter
https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/Musterordnung_fuer_Verfahren_zur_Anerkennung_erlittenen_Unrechts.pdf
Häufige Fragen zu Prävention, Intervention und Aufarbeitung
www.ekd.de/faq-praevention
Hinweise:
Betroffene von sexualisierter Gewalt im Raum der evangelischen Kirche und der Diakonie können sich an die „Zentrale Anlaufstelle.help“ sowie an die landeskirchlichen Ansprechpersonen für Betroffene sexualisierter Gewalt wenden:
www.Anlaufstelle.help
www.ekd.de/Ansprechpartner-fuer-Missbrauchsopfer-23994.htm
Weitere Informationen zu den Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt unter:
www.hinschauen-helfen-handeln.de
www.ekd.de/missbrauch
Hannover, 28. September 2021
Pressestelle der EKD
Carsten Splitt